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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Autoren: Veit Etzold
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Jasmin Peters erinnerte, hinter der all das Grauen seinen Anfang genommen hatte. Die Tür, die ihre dunklen Geheimnisse nur preisgab, wenn sie gewaltsam geöffnet wurde.
    Alles geschah wie in Trance.
    Die letzten Schritte durch den Gang.
    Die um sich schlagende, traumatisierte Andira im Zimmer hinter ihnen, der die Polizisten den Mund zuhalten mussten, damit sie den Killer nicht herbeischrie.
    Die schwere Tür, die das MEK-Kommando langsam öffnete und die nach innen schwang wie die Pforten der Hölle, als würde Charon, der Bootsmann, der die Seelen über den Styx brachte, ihnen wie in Dantes Inferno entgegenrufen: Ihr, die ihr kommt, lasst alle Hoffnung fahren.
    Und etwas Großes, Unfassbares baute sich vor ihnen auf.

20.
    Der Namenlose hörte die Stimmen und die Schritte. Er wusste, dass sie kamen.
    Doch sein Werk war vollendet. Anders, als er es geplant hatte, aber dennoch vollendet.
    Sein Blick, der sich allmählich trübte, schweifte in die Weite des Gewölbes, über das Blitzen der Monitore und das Flackern des Feuers – und über den Sarg, auf dem sie lag.
    Seit Jahren.
    Seit Jahrzehnten.
    Verloren, aber nicht vergangen. Verborgen, aber nicht vergessen. Tot, aber träumend.
    Und je mehr sein Blick sich verschleierte, umso schärfer wurde sein inneres Auge, je näher er der anderen Welt kam. Er sah all die Menschen, die er geopfert hatte, in gehorsamem Schweigen an ihrem Meister vorüberziehen.
    Er sah Tobias, den er im Heim mit dem Hammer erschlagen hatte und dessen Schädel so zerquetscht gewesen war wie ein Karton im Altpapier. Der umgefallen war wie eine Steinsäule. Dessen tiefgefrorene Leiche er zersägt hatte, um die Teile dann die Toilette hinunterzuspülen. Es hatte ihn an die Fischmärkte erinnert, die er als Kind an der Ostsee gesehen hatte.
    Er sah Ingo M., der ihn missbraucht und misshandelt hatte und dessen schlimmster Albtraum er wurde, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und gefesselt auf dem Stuhl im dritten Untergeschoss des Bunkers. Die skelettierte rechte Hand, aus der schwarze Knochen zwischen verkohlten Fleischstreifen ragten, hing nach unten, wo das Wakizashi lag, das Kurzschwert der Samurai, mit dem er sich mit einem verzweifelten Schnitt die Halsschlagader durchschnitten hatte. Er sah das Blut, das aus der Arterie spritzte und dessen Tropfen ins Feuer fielen, wo sie sich in geisterhaften roten Rauch auflösten.
    Und er sah Jakob Kürten, den Giftgiver, SM-Fetischisten und Aids-Virus-Verbreiter, den es, wie er gesagt hatte, erregte, ein Erreger zu sein. Der sich die Skalpelle selbst bestellt hatte, mit denen er schließlich getötet worden war und mit denen der Namenlose auch die anderen Opfer ermordet hatte. Dem er einen Orgasmus des Todes verschafft hatte, um ihm dann die Kehle durchzuschneiden, sodass sein Blut in einer zweiten Ejakulation des Todes aus seinem Hals gespritzt war. Dessen Samenzellen er mitgenommen hatte, um sie in der Vagina von Jasmin Peters zu platzieren, eine Vergewaltigung vorzutäuschen und die Ermittler in die falsche Richtung zu locken.
    Jakob Kürten war der Erste gewesen, den er getötet, ausgeweidet und mumifiziert hatte. Nun zogen andere Männer schweigend an ihm vorbei – Männer, die ebenfalls seine Marionetten geworden waren und die noch immer vertrocknet in ihren Wohnungen lagen, mit zu Eiweißresten zerbröckelten Augen zur Decke starrten und darauf warteten, entdeckt zu werden.
    Er sah Jasmin Peters, die die Rede zu ihrem eigenen Tod gehalten und deren Opferung er gefilmt hatte. Er sah Julia Schmidt, der er den Kopf abgetrennt und den USB-Stick mit der Nachricht für Clara Vidalis durch die Nase ins Hirn getrieben hatte.
    Und er sah mehr als zwölf andere Frauen, von denen niemand wusste, wo ihre Leichen lagen – nicht einmal, dass sie überhaupt tot waren.
    Noch nicht.
    Als Letzten sah er Tom Myers, dem all seine Aktienoptionen und all sein Geld nichts geholfen hatten, der nun mit gebrochenen Augen und verdrehtem Genick in dem Kellerverlies an der Wand lehnte, die Hände im ewigen Todeskampf zusammengekrampft, die Augen voller Panik weit aufgerissen, so als wehrte er sich noch immer gegen den Tod, der ihn längst ereilt hatte.
    Sie alle waren gestorben. Von seiner Hand.
    Denn, wo die anderen Schatten waren, war er die Nacht. Wo die anderen Mörder waren, war er der Tod.
    Er war das Nichts, und er war das Alles.
    Er war der Sensenmann. Er war der Untergang.
    Er war der Namenlose.
    Es würde weitere Opfer geben.
    Das Ritual war noch nicht zu
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