Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)

Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)

Titel: Denn bittersüß ist der Schnee - Lene Beckers dritter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Autoren: Monika Rohde
Vom Netzwerk:
P rolog

    Sonntag, 5.Dezember
    Draußen fiel der erste Schnee. Melanie trat ans Fenster, das bis zum Boden reichte und ihr den Blick freigab in einen Himmel tanzender weißer Sterne. Ihr Blick folgte dem Schweben und flog mit den Flocken, die langsam nach unten glitten. Schwerelosigkeit, durch die sich eine tiefe Freude in ihr ausbreitete. Wie jedes Jahr hatte sie in den letzten Wochen ungeduldig auf diesen Augenblick gewartet. Sie war oft noch nachts aufgestanden, wenn sie nicht schlafen konnte, und hatte am Fenster gestanden. Nichts. Trübe hatte der Dezember die Stadt eingehüllt. Feuchte Straßen, Kopfsteinpflaster, das im Licht der Straßenlaternen vor Nässe glänzte. Aber jetzt veränderte sich alles mit jeder verstreichenden Minute.
    Sie begrüßte d en Winter, den sie so liebte, sah hinüber zum runden wuchtigen Turm, der sich nur schemenhaft aus der Burgmauer erhob. Wie jedes Jahr würde er dann nachts im strahlenden und zugleich warmen Licht der Burgbeleuchtung zu ihrem weißen, märchenhaften Gegenüber werden. Und gerade heute, an diesem besonderen Tag, fiel wie eine passende Kulisse der erste Schnee. Dies schwebende, stille Weiß erschien ihr plötzlich wie ein Segen von oben. Ihr Herz schlug heftig bei diesem Gedanken. Gleich würde es soweit sein.
    Heute. Endlich. Sie hatte in den letzten Wochen so sehr auf diesen Tag g ewartet. Matt und Lynn – nach all den Jahren. Wie es jetzt wohl in Kanada war? Sicher hatte er längst nicht mehr im Winter über die Weite des alles aufnehmenden Riesenwaldes gesehen, in seinem Baumhaus umgeben von tanzenden Flocken. Wächter des Waldes. In all den Jahren hatte sie dies Bild immer in sich getragen.
    Sie ging hinüber zu ihrem Bücherregal und griff nach dem dünnen braunen Lederbändchen, ein Brevier , wie er es damals genannt hatte. In der letzten Zeit löste sich schon etwas der Rücken an zwei Stellen, so oft hatte sie in den vergangenen vierzig Jahren hineingeschaut. Nur die kleinen, hellen, aufgeklebten Lederausschnitte hielten darauf fest. Ihr Daumen strich zärtlich über die Miniaturblockhütte, kleine grüne Tannen schwebten rechts über dem breiten Lederband, das als Schlaufe das Buch verschloss. Darüber drei Sterne und ein leuchtender schmaler Reif, der den Halbmond zum Vollmond rundete. Fast wie eine Kinderarbeit und doch, wenn man genauer hinsah, der Ausdruck eines sensiblen, liebenden Mannes, der in jedem kleinen Lederstückchen sein Gefühl für sie ausdrückte. Das Buch, das sie jedes Mal aufs Neue rührte und das ihn ihr immer wieder nahe gebracht hatte. Sie löste die Schlaufe und las – zum wievielten Male?
    Ein kleines Buch, ein Brevier für einsame Stunden,
    von großen und kleinen Dingen, vom Wesen und der Erinnerung,
    und von Träumen, deren Erfüllung wir immer suchen.
    Lonely Lake, Sommer 1968
    Und darunter in seiner kleinen Schrift, noch winziger:
    für Lynn, meine Liebe.
    Seine Liebe. So wie er ihre war. Immer bleiben würde. Lynn und Matt, ihre geheimen Namen, die sie sich in jenem Winter, eingehüllt in ihr voluminöses Federbett, gegeben hatten. Ihre Namen als Vorgriff auf das neue Leben, das schließlich nur zu seinem neuen Leben wu rde.
    Sie seufzte unwillkürlich. Hatte sie sich damals richtig entschi eden? Ach, hör endlich damit auf, Melanie, wie oft willst du dich das noch fragen? Sie ist so sinnlos, eine solche Frage. Sie hatte sich entschieden und das Leben war weitergegangen. Es gibt nur richtige Entscheidungen, denn jede Entscheidung prägt das weitere Leben, es wird zur Grundlage dieses nachfolgenden Lebens. Und dadurch sinnerfüllt und in sich richtig. Sie hatte nie Probleme damit gehabt sich zu entscheiden. Nur damals vielleicht, als sie mit ihrem Schritt das Leben der anderen berührte, es veränderte und bestimmte. Der Schnee fiel jetzt noch dichter. Sie setzte sich in ihren Schaukelstuhl am Fenster, ließ das Buch in ihren Schoß sinken, wo es sich warm und Geborgenheit verströmend anfühlte. Sie müsste langsam eigentlich Tee kochen. Stattdessen sah sie hinaus in die tanzenden Flocken.
    Gleich. Jetzt war sie doch nervös.

Kapitel 1

    Sanft streichelte warmer Atem Lenes Nacken. Das war das Erste, was sie wahrnahm. Alles in ihr spürte diesem Atem nach, so ungewohnt war es, jemanden beim Aufwachen in dieser Nähe bei sich zu haben. Träge schaute sie auf das dunkle Fenster. Wie spät war es? Es war bestimmt nach vier nachmittags gewesen, als sie beide eingeschlafen waren. Herrlich, Liebe am Nachmittag, sehnsuchtsvoll
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher