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0093 - Vlado - der Schreckliche

0093 - Vlado - der Schreckliche

Titel: 0093 - Vlado - der Schreckliche
Autoren: Franc Helgath
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Es war später Vormittag. Professor Zamorra und seine Sekretärin Nicole Duval saßen auf der lichtüberfluteten Aussichtsterrasse des ›Sonnenhofs‹ in Bayerisch Eisenstein.
    Das Hotel zählte nicht zur Luxuskategorie, und doch waren sowohl Zamorra als auch seine Sekretärin und Geliebte mit der Unterbringung mehr als zufrieden.
    Sie hatten gemütliche Zimmer mit schrägen Wänden bekommen. Decken und Wände waren mit hellem Kiefernholz verkleidet.
    Die Betten hatten es Nicole ganz besonders angetan. Überall sonst in Europa wurde man in den Hotels auf mehr oder weniger harte Liegen gepackt, musste sich in vollklimatisierten Räumen mit einer in Laken gewickelten Decke begnügen.
    Hier jedoch versank sie voll in weichen Daunen, zum Zudecken hatte sie ein schweres Oberbett, das so herrlich weich und kuschelig war. Vielleicht hatten beide deshalb solange in den Tag hineingeschlafen, bis die Sonne sie aus den Federn kitzelte.
    Das Hotel lag an einem steilen Südhang. Von der Terrasse aus hatte man einen herrlichen Ausblick hinüber ins Böhmische, wo sich die Seewand wie ein kahlrasierter, mattgelber Schädel über die dumpfblauen Wälder jenseits der tschechischen Grenze erhob. Dort lebten noch Wölfe, Bären und Uhus, die in westeuropäischen Länder rigoros von der Zivilisation aus ihren angestammten Lebensbereichen verdrängt worden waren.
    Aus den Tälern dampfte milchigweißer Nebel, zerfaserte zu feinen Gespinsten, die der Wind zerriss, sobald sie höher stiegen.
    »Schade«, sagte Professor Zamorra und rührte Sahne in seinen Kaffee, »dass man von der deutschen Seite aus die Burgruine des Leichenfürsten nicht sehen kann.«
    Nicole verschluckte sich an ihrem Brötchen und hustete.
    »Nicht während des Frühstücks!«, sagte sie anklagend. »Bitte«, fügte sie hinzu. »Wir sind hier zwar nicht auf Erholungsreise, aber mit deiner Passion hat unser Aufenthalt doch wirklich nichts zu tun!«
    Zamorra schmunzelte leicht. Er musste Nicole recht geben.
    »Keine Sorge«, meinte er. »Ich sage schon nichts mehr.«
    Zamorra nahm einen Schluck des schnell kalt werdenden Kaffees. Die Tage im Spätherbst wurden schon reichlich frisch. Um auf der Terrasse frühstücken zu können, hatten sie warme Anoraks angezogen und Schals um den Hals geschlungen. Schneewind pfiff bereits über Berge und durch Täler, fegte das letzte bunte Herbstlaub von den Bäumen und kündigte das Nahen des Winters an.
    Zur Erholung waren sie tatsächlich nicht an die deutschtschechische Grenze gekommen. Und doch ließ sich hier im ›Sonnenhof‹ das Angenehme mit dem Notwendigen verbinden. Zamorra wartete hier auf den Mittelsmann eines tschechischen Fluchthelferrings, der sich SVOBODA nannte… Freiheit.
    Die Organisatoren inserierten ungeniert in westeuropäischen Tageszeitungen und boten dort ihre Dienstleistung an. Zamorra hatte auf eines dieser Inserate geschrieben, mit ihm wurde Kontakt aufgenommen, und deshalb saß er jetzt hier in Bayerisch Eisenstein auf der Terrasse des ›Sonnenhofs‹. Heute sollte die Geldübergabe stattfinden.
    SVOBODA war nicht billig. Sie verlangten 60.000 Franc von Zamorra, doch der Professor war alles andere als unvermögend. Für einen Freund opferte er diese Summe gerne.
    Und Professor Dr. Jurai Cup zählte zu seinem engeren Bekanntenkreis. Er war beim tschechischen Regime in Ungnade gefallen, als er zusammen mit anderen Intellektuellen einen offenen Brief an die Parteispitze unterzeichnet hatte. Als Dissident verlor er Arbeitsplatz und Existenzgrundlage. Eine Ausreise wurde ihm nicht gestattet.
    Und so hatte Zamorra zum letzten Mittel greifen müssen.
    Nicole Duval tupfte sich den kirschroten Mund ab und legte die Serviette beiseite.
    »Denkst du immer noch über diesen grässlichen Leichenfürst nach, Chef?«, fragte sie unternehmungslustig.
    Zamorra wurde aus seinen Gedanken gerissen.
    »Was?«, meinte er zerstreut, und dann erst ging ihm der Sinn von Nicoles Worten auf.
    Er schüttelte den schmalen Kopf mit den männlich-markanten Zügen. Im schwarzen Smoking hätte er auf den ersten Blick als Partylöwe durchgehen können, wenn da nicht der Ausdruck tiefen Ernstes in seinen Augen gewesen wäre.
    Doch jetzt verzog Professor Zamorra die Lippen zu einem breiten Lächeln.
    »Du änderst deine Meinung schnell, Nicole.«
    »Ein Vorrecht des Weibes«, gab seine hübsche Begleiterin kokett zurück. »Zu den Vorrechten der Frauen zählt nach Männeransicht auch, dass sie besonders neugierig sein dürfen. Von
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