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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Autoren: Veit Etzold
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tippte mit dem Fuß gegen den Eimer, »ist Benzin.« Mit diesen Worten schloss er den Tauchsieder an die Steckdose an und warf ihn in den Eimer.
    »Leben Sie wohl«, sagte er und verbeugte sich noch einmal. »Ich hoffe, Sie haben gute Lungen. Denn es stinkt höllisch, bevor es bumm macht.«
    Er blickte Clara ein letztes Mal an und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

17.
    Clara saß in der Finsternis des Verlieses, während der Benzingestank ihr Tränen in die Augen trieb und das Blubbern der Flüssigkeit im Eimer allmählich lauter wurde.
    Nur noch wenige Minuten, dann würde es vorbei sein. Die Wände waren stabil genug, um die Explosion aufzuhalten, sodass die Druckwelle sie, Clara, in eine schwarze, verrußte, zerrissene Puppe verwandeln würde.
    Hier musste sie sich nicht ausmalen, wie es enden würde. Entweder ging es ganz schnell – ein greller Blitz, und es war vorbei –, oder sie würde qualvoll verbrennen, während der gnädige Erstickungstod ihr Sterben vielleicht ein wenig verkürzte.
    Aber warum tat er das? Er wollte doch, dass sie bei seinem Spiel dabei war, dass sie es begutachtete? Und nun brachte er sie um?
    Plötzlich sah sie MacDeath’ Gesicht vor ihrem geistigen Auge und hörte seine Worte. Sie übersehen die einfachste Antwort auf die Frage, warum dieser Mann völlig widersprüchliche Dinge tut.
    Und wie lautet diese Antwort?, hatte sie gefragt.
    Weil er wahnsinnig ist.
    Das Bild von MacDeath verblasste, als Clara von den Benzindünsten allmählich in einen bleiernen Zustand der Beinahe-Bewusstlosigkeit gezogen wurde.
    Mit letzter Kraft riss sie die Augen auf.
    Nimm dich zusammen.
    Und wieder kam so ein Moment, wo sie glaubte, sie würde sich von einer höheren Warte aus selbst betrachten, und wo sie plötzlich die Kraft hatte, das Notwendige und Richtige zu tun. Das zu tun, was sie in den Kampfsport- und Yogakursen theoretisch gelernt, aber noch nie angewandt hatte. Was schrecklich schien, aber möglich war. Was sie jetzt tun musste, um nicht zu sterben.
    Sie musste sich selbst den Arm auskugeln.
    Kann nützlich sein, das mit dem Armauskugeln , hatte Winterfeld noch am Mittwoch zu ihr gesagt. Und heute war es nicht nur nützlich, heute war es notwendig, wollte sie überleben.
    Der Schmerz in ihrem Gelenk loderte wie Höllenfeuer, als würde der Benzineimer genau in ihrer Schulter explodieren. Als ihr linker Arm schließlich schlaff herabhing, war sie schweißgebadet. Sie zog das Schultergelenk nach unten und hatte das Gefühl, als würde flüssiger Stahl durch ihre Knochen fließen. Beinahe hätte sie aufgeschrien und dadurch die Aufmerksamkeit des Namenlosen auf sich gezogen, doch es gelang ihr, das Gelenk bis unterhalb der Ketten zu ziehen, die sie fesselten. Der Druck auf ihren Körper war gelöst, die Ketten hingen nun lose herab, und sie konnte ihren unversehrten rechten Arm aus den metallenen Schlingen ziehen. Sich mit ihrer rechten Hand abstützend, schälte sie sich aus den Ketten wie ein Schmetterling aus einer Puppe. Dann zog sie ihren Mantel aus und legte ihn in den Raum, erhob sich und ging mit taumelnden Schritten zur Tür.
    Der Namenlose schien sich seiner Sache sicher zu sein, denn er hatte nicht abgeschlossen. Clara öffnete mit letzter Kraft die Tür, während der Benzingestank ihr fast die Besinnung raubte. Sie schaute sich auf dem dunklen Gang um, schloss die Tür hinter sich und taumelte nach draußen.
    Sie hatte sich gerade in einem dunklen Nebenraum auf den Boden geworfen, als eine gewaltige Explosion die schwere Stahltür des Verlieses, aus dem sie soeben geflüchtet war, erzittern ließ.
    Clara atmete keuchend die modrige Luft, schloss die Augen und dachte nach, während in dem ausgekugelten Schultergelenk der Schmerz wühlte.
    Was würde ich jetzt tun, wenn ich der Killer wäre?, fragte sie sich und gab sich gleich selbst die Antwort: Mich überzeugen, ob meine Gefangene tot ist.
    Der Namenlose hatte seine Opfer gewissermaßen digital am Leben gelassen, damit niemand sie vermisste. Bei Clara war es umgekehrt. Sie musste so tun, als wäre sie tot, damit der Irre sie in Ruhe ließ.
    Sie stolperte zurück in den Raum, der penetrant nach Rauch und Benzin stank und dessen Wände nun rußverschmiert waren. Sie zog sich den zerfetzten, verkohlten Mantel über und legte sich regungslos auf den Boden.
    Sekunden später erklangen Schritte auf dem Flur.

18.
    Der Namenlose öffnete die schwere Tür zu dem Verlies, in das er Clara gesperrt hatte, ließ den Blick durch
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