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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Autoren: Veit Etzold
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Ende.

21.
    Als Erstes hörte Clara ein monotones Piepen, vermischt mit dem aggressiven Knistern und Rauschen von Feuer.
    Wieder betrat sie das Kellergewölbe, das sich bedrohlich vor ihr und den Männern öffnete. Es sah aus wie die Internetzeitalter-Variante einer Höllenvision von Hieronymus Bosch, eine elektronische Welt, in der die Herrscher nicht Larry Page und Mark Zuckerberg hießen, sondern Gilles de Rais und H. P. Lovecraft.
    Mehr als zwanzig Meter lang und vier Meter hoch erstreckte es sich vor ihnen wie der Magen eines gigantischen Leviathans. Zur Rechten ein mannshoher Kamin, in dem ein rußiges Feuer loderte, dessen Flammen tanzende Schatten an die modrigen Wände warfen. Dagegen das kalte Blinken der Server und Monitore, die sich an der Wand auf der gegenüberliegenden Seite reihten und deren sterile High-Tech-Ästhetik in einem eigentümlichen Widerspruch zu dem höhlenartigen, tropfenden und moosüberwucherten Kellerverlies stand. Es war ein danteskes Purgatorium, eine bizarre Geisterwelt, so unwirklich und zugleich bedrohlich wie das Internet, in das die Server und die Dutzende Computer den Herrscher dieser Unterwelt gebracht hatten.
    Auf einem langen Tisch lagen mehr als zehn Laptops, darauf Wohnungsschlüssel, Pässe, Kreditkarten und Fotos, daneben Einbruchswerkzeuge wie Zangen, Brecheisen und Drähte.
    Die digitalen Identitäten derer, die virtuell noch leben, obwohl sie real längst tot sind.
    Dahinter Instrumente, die für andere Zwecke gedacht waren. Gummihandschuhe, Spritzen und Einwegskalpelle. Metallschalen, Schläuche und Kanister.
    In zwei Terrarien, so groß wie Badewannen, krabbelten die schwarzen Käfer. Der zitronenhafte Geruch, den sie verströmten, vermischte sich mit dem rußigen Aroma des Feuers, dem sterilen Geruch nach eingebrannter Elektronik und der moderigen Atmosphäre des Kellers zu einem Gesamteindruck, den man nur als unwirklich bezeichnen konnte.
    Doch der Mittelpunkt dieser Unterwelt schockierte Clara am meisten, obwohl sie vor Stunden bereits einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, bevor der Irre sie überwältigen konnte. In der Mitte des Gewölbes stand ein steinernes Podest, einem ägyptischen Sarkophag nachempfunden. Auf diesem Sarkophag lag die Leiche eines jungen Mädchens, wie Clara erst jetzt erkannte, präpariert wie eine Mumie, die Augen geschlossen und blind zur Decke gerichtet, die Haut wie trockenes Leder, die skelettartigen Hände über der Brust gefaltet, die gelben Zähne im lippenlosen Mund zu einem grässlichen Grinsen gebleckt. Die blonden Haare strahlten dank irgendeiner Behandlung noch immer wie flüssiges Gold. Sie lag in einem weißen Kleid, einer Mischung aus Totenhemd und Brautkleid, wie eine verstorbene Königin auf ihrer ewigen steinernen Ruhestätte.
    Elisabeth.
    Sie war es, der geopfert worden war.
    Vor dem Sarkophag stand ein altarartiger Marmorblock, auf dem unterschiedlich große Messinggefäße verteilt waren. Daneben lagen Klingen und Schlachtermesser. Die einst weiße Oberfläche war dunkel von geronnenem Blut.
    Das Blut und die Innereien.
    Die Opferungen.
    Und davor saß er.
    An unterem Ende des Sarkophags, zu Füßen der Mumie, die hier offenbar seit Jahrzehnten lag.
    Vor vier großen und drei kleinen Monitoren in einem Gewirr aus Servern, Rechnern und Tastaturen, Webcams und Mikrofonen saß der Herrscher dieser virtuellen Unterwelt, der König dieser digitalen Hölle. Der, der die Nacht war, wo andere Schatten waren. Der der Tod war, wo andere Mörder waren. Er saß dort mit gesenktem Kopf, eine Brille aus mattem Edelstahl auf dem Tisch vor sich.
    Der Namenlose.
    Hier hatte er seine Schachzüge geplant, mit falschen Identitäten ahnungslose Opfer kontaktiert, diese besucht, gefilmt, getötet, ausgeweidet und ausbluten lassen, die Innereien und das Blut hier auf dem Altar und im Feuer geopfert, bevor es an das nächste Opfer ging. Nummer 11, Nummer 12, Nummer 13, Nummer 14 ...
    Hier war er. Unbeweglich und still, der Kopf auf die Brust gesunken – er, der so viel Angst und Tod gebracht hatte, war reglos wie eine Statue.
    Auf einem der Monitore war ein E-Mail-Programm geöffnet. Claras Blicke huschten zu dem Monitor.
    In ihrer Zeit beim LKA hatte sie gelernt, mit einem Blick alle bedeutsamen Details zu erkennen und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, denn genau das konnte darüber entscheiden, ob sie die nächsten Augenblicke überlebte oder nicht.
    Deshalb nahm sie das Kellergewölbe, den Sarg und die Computer in weniger als
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