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Feuerwasser

Feuerwasser

Titel: Feuerwasser
Autoren: Paul Lascaux
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lokalen Politikern. Da musste bestimmt noch das eine oder andere geklärt werden. Aber Sie werden verstehen, wenn wir Ihnen keine Namen nennen«, sagte Julia Steiner, und die Sorgenfalten hatten sich etwas tiefer eingegraben.
    »Nein«, erwiderte Nicole und strich mit den Fingern durch ihre schwarzen Locken.
    »Erklären Sie uns bitte das Stauseeprojekt«, bat Müller in etwas versöhnlicherem Ton.
    Daniel Abegg stand auf und holte eine Mappe, die er öffnete. Zuoberst lag der Aufriss eines Pumpspeicherwerks, das schematisch den Weg der Wasserrohre aus dem Justistal hinunter nach Merligen in den Thunersee zeigte.
    »Das Grundproblem ist die sich verknappende Energie auf der Welt«, erklärte Abegg, und nun merkte man, dass doch er die Leitung des Gesprächs innehatte. »Die EKW müssen die Versorgung für Millionen von Menschen sicherstellen, zusammen mit unseren Partnern. Sie stehen außerdem in Konkurrenz zu anderen Anbietern, zum Beispiel den KWO Kraftwerken Oberhasli , die in unserem Verbund nicht mitmachen, mit ihren Grimselstauseen. Nun wurde zwar die Erhöhung der Staumauer untersagt, aber das ist nur ein vorübergehender Zustand. Zusätzlich wird einer unserer Partner, die BKW, das Atomkraftwerk Mühleberg in naher Zukunft vom Netz nehmen müssen, falls es keine unbeschränkte Betriebsbewilligung gibt.«
    »Da reichen eine Solarzellenanlage auf dem Dach des Stade de Suisse und das Windkraftwerk Mont-Crosin im Jura nicht weit«, sagte Nicole Himmel spitz.
    »So ist es.« Abegg seufzte. »Das Justistal ist für einen Stausee optimal geeignet. Sehen Sie hier.« Er zeigte auf eine Karte des Gebiets. »Die Staumauer käme zwischen Grönhütte und Spicherberg an der engsten Stelle auf einer Höhe von etwa 1.200 Metern zu stehen. Wir könnten sie bis auf knapp 1.700 Meter hinaufziehen. Außerdem müssen wir keine bewohnten Gebiete fluten.«
    Müller pfiff durch die Zähne. »Das wäre die höchste Staumauer der Schweiz.«
    »Der Welt«, sagte Daniel Abegg stolz. »Aber da sie nicht sehr breit ist, wäre es technisch möglich. Wir hätten einen See von fast fünf Kilometern Länge und an der Basis einer Breite von knapp 300 Metern, oben hingegen weitet sie sich auf 600 Meter oder mehr. Wir reden also bei einer Totalfüllung von gut eineinhalb Kubikkilometern, also 1.500 Millionen Kubikmetern.«
    »So viel Wasser gibt es doch im Einzugsgebiet gar nicht«, warf Nicole ein. Ihre Augen blitzten schwarz-grün.
    »Nein«, sagte Steiner, »deshalb soll es ja auch aus dem Thunersee hochgepumpt werden.«
    »Mit billigem Nachtstrom«, ergänzte Abegg. »Tagsüber fließt das Wasser durch die Turbinen und erzeugt Strom zu Spitzenverbrauchszeiten. Mit diesem Verfahren verdienen die Schweizer Wasserkraftwerke jedes Jahr etwa eine Milliarde Franken.«
    Julia Steiner fuhr fort: »Gleichzeitig wird damit im Thunersee ein Ausgleich geschaffen und damit die Überschwemmungsgefahr gebannt. Wir rechnen mit einem Absinken des Seespiegels um bis zu zehn Zentimeter.«
    »Dagegen wehrt sich der Naturschutz, habe ich gelesen«, sagte Müller.
    »So wie der See bereits verbaut ist durch Wohnraum, Straße und Eisenbahn ergibt das höchstens für Unterseen und Gwatt an den beiden Enden eine gewisse Beeinträchtigung«, ergänzte Abegg. »Da gehen meiner Meinung nach der Überschwemmungsschutz und die Energiesicherheit vor.«
    »Das sind Totschlagargumente«, sagte Nicole. »Dagegen sind die Fischer, die Schifffahrtsgesellschaft und die wenigen Naturschützer auf verlorenem Posten. Aber vom Gemmenalphorn Richtung Norden erstreckt sich ein ausgedehntes Karstgebiet, unter Beatenberg und Habkern soll sich ein riesiges Höhlensystem befinden. Führt der Wasserdruck nicht einfach dazu, dass ein beträchtlicher Teil des Wassers aus dem Stausee versickern würde?«
    »Um das auszumessen, haben wir ja die Spezialisten geschickt«, antwortete Abegg. »Eine Variante bestünde darin, das gesamte Tal vor der Flutung mit einer Plastikplane abzudecken. Die Sedimente würden im Lauf der Jahre für die notwendige Verdichtung sorgen.«
    »Wie steht es denn mit dem Bewilligungsverfahren?«, wollte Müller als Letztes wissen.
    Julia Steiner lächelte. »Da sind wir in der komfortablen Lage, dass das gesamte Baugebiet im Bereich der Gemeinde Sigriswil liegt. Und wie ich bereits sagte, haben wir gute Kontakte zu den lokalen Politikern.«
    »Aber einen Ermordeten auf der Rechnung«, ergänzte Müller.
    »Das macht uns doch hoffentlich nicht zu Verdächtigen«,
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