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Feuerwasser

Feuerwasser

Titel: Feuerwasser
Autoren: Paul Lascaux
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Samstag, 23. August 2008

    Die Überraschung war gelungen, der Skandal perfekt, Pressenotizen in der ganzen Schweiz und Titelaufmacher in den Berner Medien waren garantiert. Sogar im angrenzenden Ausland wurde man auf die Eröffnungsparty von Bauch & Kopf , der neuen Heimat der Detektei Müller & Himmel , aufmerksam. Jede Menge Gratiswerbung und massenhaft Laufkundschaft, die den Ort des Geschehens in Augenschein nehmen wollte. Selten wurde ein Geschäft derart furios lanciert.
    Und das kam so: Das Haus, von dem hier die Rede ist, wurde dem Detektiv Heinrich Müller von seiner Auftraggeberin, einer Versicherung, aus Begeisterung über die elegante Lösung der letzten beiden größeren Fälle 1 zu einem Freundschaftspreis zur Verfügung gestellt. Heinrich Müller erfüllte sich seinen sehnlichsten Wunsch: Ins Erdgeschoss kam Bauch & Kopf , eine kleine Bar mit Weinverkauf, einer Galerie und einer auf Kriminalromane spezialisierten Buchhandlung, geführt von Leonie Kaltenrieder, der neuen Freundin des Detektivs. Ihre Wohnung lag im ersten Stock. Die Etage darüber war reserviert für Heinrich Müller, je nach Seelenzustand auch Henry Miller genannt 2 , und seinen elfjährigen Kater Baron Biber. Im Dachgeschoss lebte Nicole Himmel, in ungestümen Momenten Lucy gerufen, die zweite Hälfte der Detektei Müller & Himmel .
    Die Umbauarbeiten waren noch nicht vollständig abgeschlossen, aber man hatte allen Freunden und Bekannten eine großartige Eröffnungsfeier versprochen. Und Versprechen waren dazu da, eingehalten zu werden. Also bestellte Henry das stärkste Sound-System, das sich in Bern auftreiben ließ, und füllte damit die Pergola, die sich vor dem fingernagelförmigen Gebäude gegen den Breitenrainplatz hin öffnete. Er testete die Anlage bereits den ganzen Nachmittag mit Hubert von Goisern und den Alpinkatzen , österreichischem Voralpenblues mit Ziehharmonika.
    »Auf da Wiesen liegt a frischer Schnee«, sang Hubert gerade, und die Einkaufstaschenbepackten aus den nahe gelegenen Supermärkten Migros und COOP hielten einen Augenblick inne für den ›Kokain-Blues‹, die deutschsprachige Gebirgsvariante von ›Cocaine in My Brain‹.
    Die Stimmung war also schon ganz schön aufgeheizt, als im Verlauf des späteren Nachmittags die Gäste eintrafen, begleitet von einem zunehmend düsteren Himmel. Tagesgangwetter, Gewitterwolken, Wetterleuchten, fernes Donnergrollen. Doch die Leute begaben sich nur kurz ins Innere des Lokals, um am Ausschank Getränke zu besorgen. Dann sammelten sie sich zuerst am Rand des Breitenrainplatzes, bald aber auch mittendrin, sodass gerade dem Tram eine knappe Durchfahrt blieb.
    Sie waren nun alle da: Störfahnder Bernhard Spring mit seiner Crew, Louise Wyss und viele ihrer Model-Kolleginnen, die als erste Handlung im Bauch & Kopf einen von allen signierten Bauernkalender aufhängten. F. K. Swiss und seine Künstlerkollegen hatten sich von ihrer Wurstparty erholt und waren ausnahmsweise pünktlich, die neuen Nachbarn stürzten sich auf die Spezial-Kalbsbratwürste vom Grill, die mit Pinienkernen und orientalischen Gewürzen nach einem jahrhundertealten Rezept von der Metzgerei Trauber für diesen Anlass hergestellt worden waren. Louise meinte sogar ein paar Einzelgänger auszumachen, die bestimmt die Single-Agentur Happy Future geschickt hatte.
    Als die Ausmaße des Aufmarsches langsam klar wurden, reagierte am schnellsten die Bäckerei Bohnenblust , wo sich Blues- und Rockmusiker, ein Olympiasieger und Weltmeister sowie ein Krimiautor die Klinke in die Hand gaben. Andreas Bohnenblust stellte das Zelt, das an der Euro 08-Fanmeile beim Vorbeizug von Zehntausenden von Oranje-Fans gute Dienste geleistet hatte, auf die Straße, verlängerte die Präsenzzeit des Personals, ließ Brote streichen und mit Schinken, Salami und Käse belegen, holte im Thai-Shop weiter vorne eigenhändig ein paar Kisten Singha-Bier und verpflegte die Zaungäste des furchteinflößenden Geschehens.
    Denn Henry Miller hatte den Objektverbrennungskünstler Cäsar Schauinsland damit beauftragt, eine Skulptur zum Abfackeln bereitzustellen. Er hatte jedoch das Wahnsinnspotenzial des Bildhauers deutlich unterschätzt. Denn vom Gelände der Kaserne her schob sich durch die vorsorglich von parkierten Autos befreite Straße ein Holzungetüm von biblischen Ausmaßen. Es hatte die Größe der Arche Noah und das Aussehen des Trojanischen Pferdes und reichte bis in den dritten Stock der angrenzenden Häuser hinauf. Der Vorbeizug
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