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Feuerwasser

Feuerwasser

Titel: Feuerwasser
Autoren: Paul Lascaux
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ging den Zuschauern zu langsam vonstatten, denn Henry und alle Festbesucher quälte die Ungeduld. Außerdem konnte jederzeit ein Gewitter losbrechen, und man wollte ja die Figur, die bestimmt mit entzündbarem Material gefüllt war, brennen sehen, bevor der Regen die Flammen löschen konnte.
    Auf der Höhe von Bauch & Kopf entstiegen den Nüstern des Monsters die ersten drachenähnlichen Feuerstöße. Dann stockte die Vorwärtsbewegung, und im Bauch öffnete sich eine Falltür. Aber es entstiegen dem Pferd keine mordgeilen Krieger unter dem Anführer Brad Pitt, sondern die Monatsmädchen des Bauernkalenders, die sich davongeschlichen, in abenteuerliche Kostüme geworfen hatten und nun eine Karnevalsstimmung verbreiteten, die für eine karibische Insel gereicht hätte.
    Die einen empfanden dies als geniale Selbstdarstellung eines megalomanischen Künstlers, die andern als Blasphemie angesichts des nicht weit zurückliegenden Todes der Wurstkönigin 3 . So oder so, die Leute genossen das Spektakel, und als sich das Pferd in einer ungestümen Vorwärtsbewegung nach dem Ausstieg des letzten Models aus der Arretierung löste und sich sein Hals in den Stromleitungen des Trams verfing, war für Schlagzeilen gesorgt. Denn das Manöver legte das gesamte Innenstadtnetz von BernMobil lahm.
    Gnadenlos setzte Cäsar Schauinsland seine Inszenierung fort und steckte das Objekt in Vollbrand, sodass selbst die Feuerwehr zu spät kam, obwohl sie nur wenige Straßen entfernt ihr Hauptquartier hatte. Mit dem Holzpferd, das zum Glück für Bauch & Kopf nach links kippte, fing schließlich auch das Tramhäuschen Feuer und brannte samt Kiosk und WC-Anlage bis auf den Grund nieder.
    Nun bestanden zwar seit mehreren Jahren Pläne zur Neugestaltung des ganzen Breitenrainplatzes. Auch der Migros-Markt auf der anderen Seite wollte einen Erweiterungsbau errichten. Aber mit einer derart radikalen Lösung hatten die städtischen Behörden nicht gerechnet.
    Im Quartier selber bejubelten nicht nur die Models, Künstler, Cervelatpromis und die anderen Gäste der Eröffnungsparty das Geschehen, auch die Bevölkerung aus den umliegenden Straßen strömte zusammen, wunderte und freute sich über das überraschend Gebotene und sprach kräftig den Getränken zu, jedenfalls so lange, bis auch die letzte Flasche geleert war.
    Dass man später auf einem Foto die junge Frau, die Cäsar Schauinsland rittlings auf den Schultern saß und dem Feuer zujubelte, als Pascale Meyer, Polizistin aus Bernhard Springs Team, identifizierte, trug wenig zum Ruf der neu formierten Police Bern bei.
    Für ein einziges Mal standen sie also in den Augen der unbeteiligten Öffentlichkeit alle auf der gleichen Seite: haltlose Festbesucher, gelegenheitssaufende Quartierbevölkerung, verantwortungslose Künstler und eine desorientierte Polizeitruppe, deren Chef nichts dafür tat, seine Untergebenen zurückzuhalten.
    Die hinter allem steckende Detektei Müller & Himmel erreichte mindestens schweizweite Berühmtheit. Cäsar Schauinsland war gut versichert und frisch verliebt. Die Künstler begannen gleich mit der Planung einer nächsten spektakulären Aktion. Der Breitenrainplatz bekam ein neues Tramhäuschen, eine florierende Bar mit Buchhandlung, einige unfreiwillige Lokalpromis, die in den nächsten Monaten die Klatschspalten füllten. Bern errang das unverdiente Image einer lebensfrohen, verrückten Stadt, was einen völlig überraschenden Tourismusboom auslöste, dessen Wertschöpfung letztlich den entstandenen Schaden mehr als wettmachte.
    Betrüblich an der ganzen Sache war nur, dass Kurt Grünig weiterhin verschollen blieb, sowie dass Heinrich Müller und Nicole Himmel mit der Vorbereitung der Eröffnungsparty dermaßen beschäftigt gewesen waren, dass ihnen die Zeit für seriöse Sucharbeit gefehlt hatte. Man würde sich nach dem Verlauf der Sache erkundigen müssen.
    Heinrich, der in dieser Nacht keinen Schlaf fand, erinnerte sich an den Besuch von Alice Grünig, der Tochter des Verschwundenen: ein hübsches Mädchen, schwarze Stirnfransen, Ponyschwanz, verträumte Augen, ein besorgter Schmollmund und leichtes Wangenrouge, das früher den Berner Bauernmädchen so gut gestanden hatte, wenn die Kiltgänger auf Brautschau waren.
    Mit einem ungebändigten Satz sprang Baron Biber, der sich vor dem Lärm ins Katzenklo geflüchtet hatte, auf Heinrichs Beine und schlug die Krallen in seinen Bauch, wie um zu beweisen, wozu Fettgewebe gut sein konnte. Der Detektiv strich seinem Kater
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