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Feuer brennt nicht

Feuer brennt nicht

Titel: Feuer brennt nicht
Autoren: Ralf Rothmann
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Körper einer Göttin ist – bitte, gern. Lass uns was Nettes damit machen.
    Wolf ist heftig, fast grob in der Nacht, als müsste er herausfinden, wie sehr sie ihn meint. Doch sie, die ihre Lider fest zusammenkneift und ihn mit allen Gliedmaßen umschlingt wie etwas Rettendes, einen Halt in der Strömung, sie weint vor Lust und will es heftiger, und schließlich platzt das Kondom. »Macht nichts«,keucht sie, »macht überhaupt nichts. Ich bin im grünen Bereich.« Doch ihr Herz hämmert, und später, während sie schwitzend nebeneinanderliegen und an einer gemeinsamen Zigarette ziehen, tupft sie ihm lächelnd den Schwanz ab und sagt: »Er weint noch.«
    Nackt geht sie durch die Räume am nächsten Morgen, eine Tasse Kaffee in beiden Händen, zaghaft tritt sie auf, als wäre den Dielen nicht zu trauen. Sehr diskret blickt sie sich um, wobei sie den chaotischen Arbeitstisch wie etwas Intimes übersieht, und manchmal zeigt sie aus einem Fenster über den Ort und ruft: »Dort hinten, das war meine Schule!« Oder: »An dem Hang hab ich mir das Nasenbein gebrochen, beim Rodeln.« Ein wenig steif in den Schultern, die außergewöhnlich sind, von klassischer Symmetrie, schiebt sie wie viele behutsame oder nicht sehr selbstgewisse Menschen das Becken etwas vor, so dass ihr Po flacher wirkt, als er ist, und es gibt eine Andeutung von Bauch, eine florentinische Wölbung. Doch von hinten sieht sie knabenhaft aus, mit kraftvollen Waden, und der Glanz der gelösten, in alle möglichen Richtungen abstehenden Locken, einer Mähne aus feinem Kupferdraht, lässt die Haut noch weißer erscheinen, fast durchscheinend zart. Alles an ihr sagt »Schütze mich!«, und zu seinem eigenen Erstaunen fühlt er einen Lidschlag lang auch Kraft dazu.
    Sie interessiert sich für den Rummel, der auf dem Marktplatz vor dem Haus aufgebaut wird, die Frühjahrskirmes, und um nicht gesehen zu werden hinter dem Fenster, legt sie die Unterarme aufs Brett und stützt das Kinn auf die Hände, und nun wölbt sichihr Hintern rund in den Raum; die jungen Brüste sind schwer, man sieht die Rippen an den Seiten, und lautlos huscht er hinter sie. »Bleib so!«, flüstert er, geht auf die Knie und atmet ihn tief ein, den leisen Bernsteingeruch zwischen ihren Schenkeln.
    Zwei Monate dauert das Stipendium noch, und in dieser Zeit sehen sie sich kaum öfter als einmal in der Woche, meistens donnerstags. Da geht sie offiziell zur Gymnastik, wegen einer leichten Skoliose, und anschließend zur Massage; sie möchte weder die Eltern noch ihren Verlobten vor Tatsachen stellen, die vielleicht keine sind. Den Wagen parkt sie hinter dem Amt, zwischen Mülltonnen und Gestrüpp, und zieht die Vorhänge vor die großen Fenster, sobald sie in der Wohnung ist; das Haus einer Tante steht in der Nähe. Aber immer kommt sie wie zu einem Fest, mit Wein oder Sekt oder Süßigkeiten, und kann es kaum erwarten, dass sie das Geschirr abräumen und er ihr den Pullover oder das Kleid auszieht. Sie liebt schöne Wäsche, sie kauft sich Strapse vom Lehrlingslohn.
    Im Bett macht sie es ihm leicht. Obwohl es in dieser Hinsicht kaum Maßstäbe geben kann, hat er sich meistens mittelmäßig gefunden als Liebhaber. Einmal davon abgesehen, dass es ihn anwidert, wenn von einem geregelten oder ausgeglichenen Sexualleben gesprochen wird, als wäre es eine hygienische Notwendigkeit – immer wieder ist er zu lange allein und dann zu aufgeladen, um im entscheidenden Moment behutsam oder einfühlsam oder ausdauernd zu sein. Aber Alina wertet nicht; sie nimmt ihn, wie er ist, und kommt manchmal schon nach Sekunden zum ersten Mal. Sieliebt sein Ungestüm und spürt offenbar wenig von seiner Befangenheit, die durchaus mit ihrer Jugend zu tun hat, der fast unwirklichen Glätte der Haut, verdeutlicht sie ihm doch zum ersten Mal im Leben, was für immer vorbei ist. Gerade in der Dunkelheit oder im Licht einer Kerze, die hinter einem Blumenstrauß brennt, fürchtet er sich vor ihren Händen, dem zärtlichen Tasten, wie vor etwas Entlarvendem, und wälzt sich dann über sie wie ein Barbar. Doch an ihrem letzten Abend muss er lachen, als sie sagt: »Weißt du, was mir als erstes an dir aufgefallen ist? Soll ich ehrlich sein? Dein toller Mund. Ach nee, dein Arsch!«
    Ihr Abschied voneinander ist unsentimental. Hoffnung ist ein schönes Wort, aber es passt nicht. In Berlin zu studieren wäre ein Wunsch, der vorerst unerfüllt bleiben muss; es gibt keine freien Plätze. Sie trinken ein Glas Wein und nehmen sich das
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