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Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1

Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1

Titel: Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
Autoren: Der Silberfalke
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er das, denn der Gesang der Frauen,
wenn sie arbeiteten, ihr Lachen und Schwatzen, der Klatsch
und die Scherze waren, so lange er sich erinnern konnte, Teil
seines Alltags gewesen. Aber er freute sich auch voller Stolz
darauf, bei den Männern des Clans sitzen zu dürfen.
    Wieder schauderte er, wenn auch nur kurz, dann seufzte er,
entspannte sich und ließ sich weiter von der Sonne wärmen.
Er wartete, bis die steifen Muskeln etwas lockerer geworden
waren, dann kam er auf die Knie hoch und kümmerte sich um
sein Feuer. Er legte ein paar neue Zweige auf die glühenden
Kohlen, dann blies er darauf, und schon bald flackerten die
Flammen. Er würde das Feuer wieder niederbrennen lassen,
wenn es am Berg erst wärmer geworden war, aber im Augenblick war er dankbar für die Wärme.
    Er lehnte sich gegen die Felsen, die sich ebenfalls trotz der
Kälte, die immer noch in der Luft hing, langsam aufwärmten,
und trank noch einen Schluck. Dann seufzte er tief und schaute zum Himmel. Warum habe ich keine Vision?, fragte er
sich. Warum hatte er keine Botschaft von den Göttern erhalten, die ihm seinen Männernamen verriet?
    Sein Name würde der Schlüssel zu seinem Na’ha’tab sein,
der geheimen Natur seines Wesens, die nur er und die Götter
wirklich kannten. Andere Menschen würden zwar den Namen
erfahren, denn er würde ihn voller Stolz verkünden, aber niemand würde wissen, um was es in seiner Vision gegangen war
und was sein Name ihm über seinen Platz im Universum, seinen Auftrag von den Göttern oder sein Schicksal sagte. Sein
Großvater hatte ihm einmal erzählt, dass nur wenige Männer
ihr Na’ha’tab wirklich verstanden, selbst wenn sie sich einbildeten, es zu begreifen. Die Vision war nur ein erster Hinweis von den Göttern auf die Pläne, die sie mit einem Mann
hatten. Manchmal, hatte Großvater gesagt, waren diese Pläne
recht schlicht: Die Götter wünschten, dass einer ein guter
Ehemann und Vater war, dass er zum Wohl des Dorfes und
des Volkes beitrug und ein gutes Beispiel für andere war,
denn es konnte sein, dass die Rolle eines solchen Mannes einfach darin bestand, Vater eines ganz besonderen Kindes zu sein,
eines Na’rif, und dieser Plan würde erst lange nach dem Tod
des Vaters seine wirkliche Erfüllung finden.
    Kieli wusste, was sein Großvater jetzt zu ihm sagen würde:
Dass er sich zu viele Gedanken machte und dass er einfach
die Sorgen beiseite schieben und sich von den Göttern dorthin
bringen lassen sollte, wo sie ihn haben wollten. Kieli wusste,
dass sein Vater das Gleiche raten und noch hinzufügen würde,
dass man, um ein guter Jäger zu sein, im Langhaus gute
Ratschläge geben zu können und ein guter Ehemann zu sein,
zunächst einmal lernen musste, still zu sein und zuzuhören.
    Er schloss die Augen und lauschte dem Geräusch des Windes in den Bergen. Der Wind sprach zu ihm, wenn die Zedern
und Kiefern rauschten. Manchmal konnte der Wind grausam
sein und mit einer bitteren, eisigen Klinge durch die dicksten
Pelze schneiden. Zu anderen Zeiten brachte er ersehnte Erleichterung und kühlte selbst die heißesten Sommertage ab.
Sein Vater hatte Kieli von den Stimmen des Windes erzählt
und ihm beigebracht, dass man diese Stimmen verstehen
konnte, wenn man lernte, eins mit dem Wind zu werden, wie
es die Falken und Adler taten, die ihre Nester oben auf den
zerklüfteten Gipfeln bauten.
    Ein Kreischen gellte durch die Morgenluft, und Kieli fuhr
herum, als ein Silberfalke keine zehn Schritte von ihm entfernt ein Kaninchen riss. Dieser seltenste Vogel des Hochgebirges hatte eigentlich graue Federn und ein paar schwarze
Flecken an Kopf und Schultern, aber ein Schimmer auf den
Flügeln ließ sie manchmal wie Silber blitzen, wenn der Falke
sich in den klaren Himmel schraubte. Der Raubvogel hatte
das sich heftig wehrende Kaninchen nun fest gepackt und
erhob sich mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft. Das Kaninchen hing schlaff herab, ganz ähnlich wie ein kleines
Kätzchen, das von seiner Mutter getragen wurde, als hätte es
sich seinem Schicksal ergeben. Kieli wusste, dass das Tier
sich in einem Schockzustand befand – eine Freundlichkeit der
Natur, die die Schmerzen und die Angst verringerte. Er hatte
einmal einen Hirsch reglos am Boden liegen sehen, während
er den Gnadenstoß erwartete, den ihm der Jäger mit dem Messer versetzen würde, nachdem ihn ein Pfeil gefällt, aber nicht
getötet hatte.
    In der Ferne sah er Truthahngeier träge kreisen
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