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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen
Autoren: Marcia Muller
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Augen tränten. Ich zwinkerte
und schickte mich an, das Feuer anzuzünden, das ich bereits im Kamin
aufgeschichtet hatte. Als ich damit fertig war, drehte ich mich um und fragte:
»Was sagst du, Ripinski? Mein Entschluß — ist das Silber oder Gold?«
    Er prostete mir mit der Flasche zu.
»Gold, McCone. Reines Gold.«

 
     
     
    Erster Teil
    San Francisco
    August

1
    »Bist du sicher, daß der gedeckt ist?«
Ted Smalley, der Geschäftsführer von All Souls, hielt den Scheck, den ich ihm
gerade ausgehändigt hatte, gegen das Licht seiner Schreibtischlampe und prüfte
ihn mit zusammengekniffenen Augen.
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust
und versuchte, streng zu gucken.
    »Kenne ich diese Frau?« fragte er sich
laut. »Sie sieht aus wie die alte Sharon, trotz der Frisur. Sie redet auch so.
Aber Ermittlungsbüro McCone? Ein eigenes Geschäftskonto? Miete für eine
Büro-Suite? Ziemlich merkwürdig, wenn du mich fragst.«
    »Nicht so merkwürdig wie das, was dort
oben in diesen Räumen vor sich geht, die du mit der Bezeichnung ›Suite‹
adelst.« Wie um meine Worte zu unterstreichen, kam plötzlich ein lautes Krachen
aus dem vorderen Obergeschoß des großen Altbauhauses. Ich fuhr zusammen.
    Ted sah skeptisch zur Decke.
    In dem lange Zeit ungenutzten Kabuff
neben meinem Büro installierte eine Monteurin von Pacific Bell Anschlüsse für
mein neues Telefon samt Fax und Modem. Jack Stuart, der Strafrechtsexperte der
Anwalts-Kooperative, und Hank Zahn, mein ehemaliger Boß, waren gerade nach dort
oben verschwunden, um meine Chaiselongue abzutransportieren und in Jacks
Kleintransporter zu verstauen. Ich war mir nicht sicher, ob das Krachen mit der
Chaiselongue zu tun hatte, die zu mir nach Hause zu schaffen Jack sich erboten
hatte, oder mit meinem viertausendsiebenhundert-Dollar-Apple-Computer nebst
Laserdrucker, aber wenn etwas davon draufgehen sollte, dann bitte lieber das
innig geliebte, aber nicht annähernd so teure Möbel.
    Bevor ich nach oben rennen und
nachsehen konnte, erschien Jacks Jeans-Hinterteil oben auf dem Treppenabsatz;
gebückt, das Sofa untergefaßt, tastete er sich langsam rückwärts. Trotz meiner
Besorgnis wegen des Krachens nahm ich mir einen Moment Zeit, um den
anerkanntermaßen attraktivsten Mann des Kollektivs aus dieser Perspektive zu
bewundern. Ted, der alte Halunke, merkte es und zwinkerte mir zu. Ich zwinkerte
zurück.
    Dann erschien Hank am anderen Ende der
Chaise, mit rotem, grimmigem Gesicht. Auf halber Treppe begann er eine Reihe
seltsamer Manöver zu vollführen, als wäre er plötzlich von einer besonders
gemeinen Veitstanz-Variante befallen. Ich beobachtete ihn besorgt, merkte dann
aber, daß er nur seine dicke Hornbrille, die ihm gefährlich weit auf die
Nasenspitze gerutscht war, wieder an ihren Platz zu bugsieren versuchte. Als er
Ted und mich passierte, griff ich zu und justierte die Brille. Hank lächelte
dankbar.
    »Was ist runtergefallen?« fragte ich.
    »Kein Grund zur Aufregung.«
    »Was ist runtergefallen?«
    Jack sagte: »Eine von diesen blöden
Karnickel-Bücherstützen, die du auf deinem Schreibtisch hast. Sie ist
zerbrochen.«
    »Oh.« Ich schluckte schwer. Diese
»blöden Karnickel-Bücherstützen« stammten von Gump und hatten ein kleines
Vermögen gekostet, schon vor fünf Jahren, als mein damaliger Freund sie mir zu
Weihnachten geschenkt hatte. Na ja, ich hatte ja immer noch eine...
    Vor einem guten Monat, dort oben auf
der Bergwiese, war mir die Idee, meine eigene Firma aufzumachen und mir von All
Souls Büroräume zu mieten, als Geniestreich erschienen — die Möglichkeit, einen etwas erweiterten Job als Leiterin der neu eingerichteten
Ermittlungs-Abteilung abzulehnen und mir doch den Kontakt zu den Leuten zu
erhalten, die für mich eher eine Art Großfamilie waren als nur Arbeitskollegen.
Doch jetzt, nach Wochen zähen Verhandelns und Bergen von amtlichen Dokumenten,
Lizenz- und Kreditanträgen — von dem steten Strom ausgehender Zahlungen ganz zu
schweigen —, dachte ich allmählich, daß es ein ziemliches Wahnsinnsunternehmen
war. Andererseits war ich mir immer noch sicher, daß es, wenn der Laden erst
mal angelaufen war, besser für mich sein würde, unabhängig von der Kooperative
zu arbeiten. Und ich war mir erst recht sicher, daß es besser für mich war,
Distanz zu Renshaw und Kessell zu halten, dieser hochtechnisierten, aber
moralisch bankrotten Security-Firma, deren lukratives Jobangebot im
Ermittlungs-Außendienst meine einzige Alternative
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