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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen
Autoren: Marcia Muller
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»Interventions-Management AG, T .J. Gordon,
Präsident«, dazu eine Adresse am Wilshire Boulevard in Beverly Hills. Auf der
Rückseite hatte er von Hand eine hiesige Adresse in einem ziemlich teuren neuen
Apartmentkomplex am Embarcadero im South Beach-Bezirk notiert.
    Was hatte das zu bedeuten? War Suitcase
Gordon jetzt ein anständiger Geschäftsmann? Oder hatte er lediglich eine seiner
vielen Gaunereien perfektioniert?
    Ich vergegenwärtigte mir seine
unveränderten Eigenheiten und sein Äußeres. Subtrahierte den teuren Anzug, die
Edel-Aktenmappe und die Rolex. Und befand, daß er unmöglich ein gesetzestreuer
Bürger sein konnte. Kein gesetzestreuer Bürger würde sich so verstohlen
benehmen.
    I
    ch steckte Suits’ Geschäftskarte in die
Tasche und ging nach oben. Die Frau von der Telefongesellschaft war immer noch
am Werk, die neuen Möbel waren noch nicht eingetroffen, und mein Neffe, Mick
Savage, lag bäuchlings auf dem Fußboden meines Büros und fummelte an einer der
Steckdosen herum. Er drehte den Kopf, als er mich hereinkommen hörte, und zog
eine abfällige Grimasse.
    »Diese Leitungen dürften so etwa aus
der Zeit der Arche Noah stammen«, beschwerte er sich.
    Ich beäugte ihn nervös. »Hast du die
Sicherung rausgemacht?«
    »Sehe ich aus wie ein Idiot?«
    »Darauf antworte ich nicht.«
Tatsächlich konnte der Älteste meiner Schwester Charlene gelegentlich ziemlich
stumpfsinnig in die Gegend gucken, aber ich ging davon aus, daß das für
Siebzehnjährige normal war und sich wieder verlieren würde. Er war ein großer
Bursche: rotblond wie seine Mutter, kräftig wie sein Vater, der
Country-Music-Star Ricky Savage, und von derselben offenen, ungezwungenen Art
wie seine beiden Eltern.
    Mick war für diesen Monat aus Pacific
Palisades zu mir nach San Francisco geschickt worden, weil ich jemanden
brauchte, der mich in die Finessen des Computers einweihen konnte. Auf diesem
Gebiet war mein Neffe ein Genie — sie hatten ihn im Abschlußjahr eine Zeitlang
von der Schule suspendiert, weil er in den Zentralcomputer der Schulbehörde
eingedrungen war und sich vertrauliche Lehrergutachten über einzelne Schüler
beschafft hatte, um sie meistbietend zu verhökern. Am Abend, ehe Charlene ihn
ins Flugzeug gesetzt hatte, hatte sie mir am Telefon gestanden, daß sie sich
Sorgen um ihren Sohn machte: zuerst diese Sache damals, als er an Weihnachten
nach San Francisco durchgebrannt war und ich meinen Heiligabend damit hatte
zubringen dürfen, die Stadt nach ihm durchzukämmen; dann dieser Tick, die ihm
genehme Version seines Namens binnen drei Jahren sechsmal zu ändern, und
außerdem natürlich diese schändliche Hacker-Geschichte. Seit er mit der Schule
fertig sei, meinte Charlene, hänge er nur herum. Er weigere sich, über
irgendwelche Zukunftspläne zu reden. Vielleicht könne ich ihn ja ein bißchen
beraten, während er bei mir sei. Ihn wenigstens überreden, es mit dem College
zu probieren? Ich sagte, ich würde sehen, was sich tun ließe.
    Es war leider absehbar, daß Charlene
und Ricky nicht sehr glücklich über das Resultat seines Tantenbesuchs sein
würden.
    Ich ging zu meinem Schreibtisch und
nahm meine Post an mich. Nur Rechnungen und ein großer brauner Umschlag. Ich
schlitzte ihn auf und förderte einen dicken Katalog zutage: »Versandservice für
das Ermittlungs- und Sicherheitswesen — die bequeme Bezugsquelle für Ihren
gesamten Berufsbedarf.« Die Vorderseite zierte die Silhouette eines Mannes im
Trenchcoat; der beigefügte Brief begann mit den Worten: »Sehr geehrter Mr.
Savage, wir danken Ihnen für Ihr Interesse...«
    Ich sah auf den Adressaufkleber auf dem
Umschlag, merkte, daß ich versehentlich eine Sendung an Mick geöffnet hatte,
und seufzte.
    In den letzten beiden Wochen hatte Mick
den Entschluß gefaßt, Privatdetektiv zu werden. Warum er sich unter all den
vielen möglichen Berufen ausgerechnet meinen ausgesucht hatte, war mir
schleierhaft, zumal er mich noch gar keine praktische Ermittlungsarbeit hatte
tun sehen, seit er hier war. Aber er hatte es sich in den Kopf gesetzt, und ich
konnte ihn nicht davon abbringen. Sicher würde ich hinfort auf der schwarzen
Liste meiner Schwester stehen.
    Zuerst hatte ich ihn darauf
hingewiesen, daß er zu jung war, um eine Lizenz zu kriegen. Er hatte verkündet,
dann würde er eben dableiben, für mich arbeiten und sich das Handwerkszeug
aneignen, bis er volljährig sei. Daraufhin hatte ich ihm erklärt, daß ich es
mir nicht leisten könne, ihn und
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