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Fehltritt Im Siebengebirge

Titel: Fehltritt Im Siebengebirge
Autoren: Georg R. Kristan
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Vertraulichkeiten vor der Amtshandlung. Sonst quält dich die Befangenheit noch mehr. Wir kennen doch beide die Strenge der Erlasse über die Annahme von Belohnungen und Geschenken.«
    »Also später. Ich werde inzwischen meinen Körper stählen, um auch der krossesten Printe gewachsen zu sein. – Im Judo bist du doch noch fit?«
    »Aber klar. Das Vereinsniveau ist hier besser als in Aachen. Und wann holst du dir deinen nächsten Muskelriß?«
    »Man wird vernünftiger – keine zu hohen Sprünge oder Sprints, nur der tägliche Trimmkurs auf dem Rheinhöhenweg im Siebengebirge.«
    »Na, dann trab mal schön ab. Wir begegnen uns am Dienstag. – Die Firma Erlenborn dankt für den Anruf und empfiehlt ihre Erzeugnisse für fröhliche Stunden.«
    »Du Printe, du«, sagte Klatte und legte mit einem süßsauren Lächeln den Hörer zurück.
     
     
    Mit »ausgezeichnetem Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, gründlich, schnell und zuverlässig«, so ging Klatte daran, seinen Besuch bei Erlenborn vorzubereiten.
    Das von ihm erstellte Dossier war beeindruckend: Die Firma Erlenborn-Spirituosen, Fabrikation und Großhandel, konnte in einigen Tagen ihr hundertjähriges Betriebsjubiläum feiern – hundert Jahre deutsch-jüdisches Unternehmerschicksal. Erlenborn – das war die alte »Feindestille Samson«, die in den dreißiger Jahren der Arisierung entgangen war, weil Samson Senior in Erlenborn Senior einen Freund hatte, der es schaffte, das Familienvermögen dem Zugriff der braunen Machthaber zu entziehen.
    Die Samsons hatten in England eine neue Heimat gefunden. Hier wurden auch ihre Töchter Wally und Sonja geboren, die, als sie alt genug waren, in das Land ihrer Eltern zurückkehrten, um in Bonn seßhaft zu werden.
    Wally Samson, die ältere der Töchter, heiratete den Speditionsunternehmer Siemann in Bonn-Beuel. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, der Sohn Guido und die Tochter Barbara, beide im elterlichen Betrieb beschäftigt.
    Sonja Samson, die jüngere Tochter, ging die Ehe mit Erlenborns Sohn Hartmut ein. – Kurz war das Glück, denn auch die teuersten Sanatoriumsaufenthalte hatten Sonja nicht über das 32. Lebensjahr hinweghelfen können.
    Junior Hartmut hatte es sich in den Kopf gesetzt, Erlenborn-Spirituosen zur führenden Marke der Europäischen Gemeinschaft zu machen. Er wollte beweisen, daß seine unternehmerische Kraft mehr vermochte, als ein ererbtes Vermögen. In Bonn war es ein offenes Geheimnis, daß Hartmut Erlenborn sich nach dem Tode seiner Frau mit seinen fünfunddreißig Jahren keineswegs zu alt fühlte, seine einundzwanzigjährige Nichte Barbara Siemann, Guidos Schwester, zu heiraten, zumal die kinderlos verstorbene Sonja nicht ihn, ihren Mann, sondern ihre Nichte Barbara als Erbin eingesetzt hatte. Die Ehe würde helfen, den Betrieb zu konsolidieren, denn durch die Expansion war die Kapitaldecke kürzer geworden. Es entsprach Sonjas Familiensinn, die Vermögenswerte der ehemaligen Feindestille Samson im Blutsband der Sippe zu halten. Den Siemanns war diese Lösung nur recht. Damit war Barbara versorgt, und Guido konnte eines Tages Spedimpex Siemann und Co. allein übernehmen.
     
     
    Werner Klatte ging in das Nachbarzimmer, um mit seinem Vertreter, Zolloberinspektor Wernitz, die »Recherchen Erlenborn« noch einmal durchzusprechen.
    »Stimmt es wirklich, daß Erlenborn seine Nichte Barbara heiraten will?«
    Wernitz nickte. »Aber ja, das weiß doch jeder hier. Er soll sie schon verführt haben, als seine Frau noch lebte.«
    »Woran ist Sonja Erlenborn eigentlich gestorben?«
    »Aqua ardens – hat sich totgesoffen«, erläuterte Wernitz ungerührt.
    »Gibt’s da noch mehr pikante Geschichten?«
    »Jetzt versucht die Neue aus Aachen auch noch mitzumischen; aber wenn die auf eine Ehe mit Erlenborn spekuliert, liegt sie falsch – Barbara hat das Geld. Übrigens – war Frau Richter nicht eine Kollegin von Ihnen beim Hauptzollamt?«
    »Ich kenne sie nur flüchtig. War ja nur kurze Zeit dort und bin gar nicht richtig warm geworden.« Klatte wollte das Thema nicht vertiefen. »Ist sonst noch was Besonderes?«
    »Nicht daß ich wüßte. Mit der Firma hatten wir noch nie Ärger oder Probleme wegen der Verbrauchssteuern.«
    Wernitz sah keinen Anlaß, darauf hinzuweisen, daß so manche Beförderungsfeier in den Ministerien mit den Elixieren von Erlenborn und mit einem schönen »Behördenrabatt« über die Bühne gegangen war.

 
    Kapitel 2
     
     
     
    Der Mann auf dem Beifahrersitz
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