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Fehltritt Im Siebengebirge

Titel: Fehltritt Im Siebengebirge
Autoren: Georg R. Kristan
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Sammelzollverfahren bei den Binnenzollstellen. Bei 70 Prozent der Einfuhrgeschäfte brauchten somit die Grenzzollämter die Waren nur papiermäßig zu erfassen.
    »Grüß mir den Rhein«, verabschiedete sich der noch junge Zollbeamte. »Sag denen da oben, die sollten entweder den europäischen Papierkrieg einstellen oder uns mehr Leute bewilligen. Wir haben langsam die Schnauze voll. Nur Sprüche und immer neue Vorschriften. Ihr Transporter müßtet auch mal so aufmarschieren wie die französischen Routiers. Dann merken die Bonzen, was los ist.«
    Guido winkte mit den gestempelten Einfuhrpapieren. »Lüftet doch einfach den Schlagbaum an. Aktion freundliches Handzeichen, und wir brummen durch. Euer Gehalt wird um die Beträge erhöht, die wir bei der Abfertigung einsparen. Hat mal wer ausgerechnet – über dreißig Milliarden im Jahr kostet der europäische Zirkus an den Grenzen.«
    »Okay, ich werde das als Verbesserungsvorschlag einreichen. Ich sehe schon, wir Beamte werden endlich reich.«
    Guido holte sich am Kiosk noch zwei Dosen Cola und ging zum Fahrzeug zurück. Er zog den 16-Tonner langsam vor. Dann reichte er den Ausweis aus dem Fenster. Der Beamte vom Grenzschutzeinzeldienst warf nur einen kurzen Blick darauf und gab das Dokument zurück. »Gute Fahrt!«
    Guido hob dankend die Hand. Er hatte noch nie Probleme bei der Abfertigung gehabt. Die Papierform mußte eben stimmen. Das durfte man von einem internationalen Speditionsunternehmen auch wohl erwarten. Dreißig bis vierzig Formularblätter waren die Regel für eine Einzelabfertigung.
    Der Tramper war wieder zugestiegen. Guido schob ihm eine der Cola-Dosen zu. »Da, sauf! Dann redest du nicht so viel bis zum nächsten Parkplatz.«
    »Schön, schön, starker Mann – du bist wirklich Papas liebes Kerlchen.«
    Sanfte Gleichmut und eine verschlagene provozierende Lässigkeit. Auf dieses Seelengemisch konnte Guido Siemann sich nur schwer einstellen. Für ihn wäre es eine Erleichterung gewesen, die Verabschiedung seines Fahrgastes mit einem Tritt in den Hintern vorzunehmen. Aber dann wäre der Knabe in der Mitte durchgebrochen.
    Guido gab Gas. Der Motor drehte hoch. Acht Kolben stampften in 15 Liter Hubraum. Der Sattelzug wurde schneller, als ob die Pferde den heimischen Stall witterten. Links der Autobahn lag die alte Kaiserstadt Aachen, die schon als Siedlung Aquae Grani mit ihren heißen Quellen den römischen Legionären und den mit der Besatzungsmacht fraternisierenden oberen Zehnhundert manche Erleichterung bei Gicht und Ischias gebracht hatten. Später hatten sich hier dreißig Kaiser und Könige aufs Thrönchen gesetzt. Was konventionelle Kriegsführung bedeutet, durfte dieses Kleinod europäischer Kultur auch erleben. Die Stadt war 1945 ein Trümmerhaufen. Doch jetzt konnte man wieder ein warmes Vollbad nehmen oder sein Glück im Internationalen Spielkasino versuchen. Aber auch der Pferdesport und die Technische Universität mehrten den Ruhm der Bürger.
    Ein großes »P – 1000 m« kündigte den Parkplatz an. Guido ließ den Zug langsamer werden und bog auf den Ausfahrtstreifen.
    Hier war noch Zollgrenzgebiet. Daher konnte jederzeit mit einer Kontrolle gerechnet werden. Auf dem Parkplatz, etwas verdeckt, stand ein grauer VW-Transporter. Zwei Zöllner der Vier-Mann-Besatzung trafen Vorbereitungen für die Straßenkontrolle. Sie überprüften die Sprechfunkgeräte.
    »Stichwort ›Eupen‹, bist du klar?«
    »Ja, von mir aus könnt ihr anfangen«, quäkte es zurück. Stichwort ›Eupen‹ war mit seinem Krad einen Kilometer weiter an der Autobahn postiert, um etwa durchbrechende Fahrzeuge abzufangen. Da keine besondere Gefahrenlage bestand, waren die Maschinenpistolen im Waffenschrank der motorisierten Grenzaufsichtsstelle, kurz »GAST-mot« genannt, zurückgeblieben. Die Beamten trugen nur Pistolen. Im Grenzgebiet war auch heute noch eine besondere Vorsicht geboten. Hier versuchte manch entwichener schwerer Junge seine neue Freiheit zu gewinnen – manchmal auch mit Gewalt.
    Die beiden anderen Zöllner hatten die rückwärtige Ladeklappe des VW-Transporters hochgestellt und öffneten die Türen von zwei eingebauten Hundeboxen. Aus der linken sprang mit einem vorsichtigen Satz ein schwerer Rottweiler heraus, aus der anderen ein Schäferhund.
    »Basko – sitz!« Ohne nur eine Sekunde zu zögern, nahm der Rottweiler den Platz bei seinem Herrn ein. Mit ihm zusammen hatte Basko auf der Zollhundeschule in Bleckede an der Elbe in mehreren Lehrgängen
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