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Glühende Leidenschaft

Glühende Leidenschaft

Titel: Glühende Leidenschaft
Autoren: Jo Beverley
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1
    London, 1812
    Der Türklopfer wurde so ungestüm betätigt, dass Meg Gillingham erschrocken zusammenfuhr und sich beinahe mit dem Schälmesser geschnitten hätte. Heiligabend! Wenigstens an Weihnachten hätte man sie doch in Ruhe lassen können.
    Ein fortgesetztes heftiges Pochen an der Tür machte diesen Wunsch zunichte.
    Ihre Schwester stand auf, die Miene von denselben Befürchtungen überschattet, die Meg ergriffen hatten. Doch Meg winkte Laura an den Küchentisch zurück, um das etwas turbulent verlaufende Basteln von Engeln aus Papierschnitzeln zu beaufsichtigen, mit dem sie die Zwillinge beschäftigte. Nervös wischte sie sich die Hände an ihrer Schürze ab, legte dann die beiden bereitliegenden schweren Schals um und ging durch den kalten Flur an die Haustür.
    Sie hätte gerne durch das kleine Fenster gespäht, um zu sehen, wer draußen stand, doch das andauernde Hämmern und dazu der Ruf »Aufmachen, im Namen des Gesetzes!« veranlassten sie, in Windeseile den Riegel zurückzuschieben und aufzuschließen.
    Hastig riss sie die Tür weit auf und sah im feinen Schneetreiben Sir Arthur Jakes vor sich stehen, ihren Vermieter, und dazu, schlimmer noch, den beleibten Gemeindediener Wrycroft, in Uniform und mit seinem Amtsstab ausgestattet.
    Bitte nicht am Heiligabend!, betete Meg. Bitte. Sir Arthur war doch immer so nett; ein alter Freund ihrer Eltern. Er würde sie doch bestimmt nicht an Weihnachten aus dem Haus werfen!
    Sicher musste er nicht darunter leiden, dass sie mit der Miete im Rückstand waren. Sein Mantel war von bester Qualität, ebenso sein dicker Schal, die teuren Lederhandschuhe und seine Biberfellmütze. »Na endlich, Meg«, sagte er mit zusammengekniffenem Gesicht. »Lassen Sie uns rein, bitte.«
    Meg schluckte, konnte jedoch nichts anderes tun als zurückzutreten und die beiden Herren mit einer Geste in den schmalen Flur zu bitten. »Worum geht es denn, Sir Arthur?«
    Sobald sie die Tür wieder geschlossen hatte, erklärte er: »Mein liebes Mädchen, es kann Ihrer Aufmerksamkeit doch nicht entgangen sein, dass ihr seit über drei Monaten keine Miete bezahlt habt.«
    »Aber Sie sagten, wir müssten uns deshalb keine Sorgen machen!«
    Ihr Atem bildete ein weißes Wölkchen; sie zitterte und steckte die eisigen Hände unter ihre Schals. Wenn Sir Arthur allein gekommen wäre, hätte sie ihn in die Küche eingeladen, den einzigen Raum, der von einem Feuer erwärmt wurde. Doch etwas in ihr sperrte sich dagegen, den schmuddeligen, nach Zwiebeln riechenden Gemeindediener Wrycroft in den gemütlichsten Raum ihres Zuhauses einzulassen.
    »Meine liebe Meg, Sie werden verstehen, dass ich lediglich meinte, euch nach dem so unerwarteten, schockierenden Tod eurer Eltern etwas Zeit zu lassen. Zeit, um Hilfe zu suchen und Vorkehrungen zu treffen.« Sir Arthur zuckte die Achseln, ohne seine perfekt sitzende Kleidung in Unordnung zu bringen. »Aber das kann ja nicht ewig so weitergehen, vor allem jetzt, wo es auf den Winter zugeht.«
    Meg blickte um sich, als würden irgendwo einem Engel gleich Rat und Hilfe erscheinen. Aber die einzigen Engel, die es hier gab, waren die papierenen, die die Zwillinge gemacht hatten, und weder sie noch die aus dem Nachbargarten stibitzten Stechpalmenzweige boten ihr Rat oder Hilfe an.
    »Natürlich, Sir Arthur. Das verstehe ich schon. Sie waren wirklich sehr freundlich. Aber vielleicht können Sie uns noch ein bisschen mehr Zeit geben. Es ist Weihnachten …«
    »Na, na, Miss Gillingham«, schaltete sich jetzt der Gemeindediener ein, »Sir Arthur ist ja nun wirklich nett zu euch. Mehr als das.«
    Der große Wohltäter brachte ihn mit einer Geste seiner in feinem Leder steckenden Hand zum Schweigen. »Und ich kann es mir auch leisten, noch ein wenig länger nett zu sein. Wie Miss Gillingham sagt, es ist Weihnachten.«
    Oh, dem Himmel sei Dank!
    »Aber Sie müssen schon verstehen«, fuhr er an Meg gewandt fort, »dass das kein fortdauerndes Arrangement sein kann.«
    Das verstand sie. Monatelang hatte sie von Hoffnungen gelebt, zuerst an verschiedene Verwandte geschrieben, dann an Freunde. Sie hatte ein paar nette Antworten erhalten und sogar einige kleine Bankwechsel, aber niemand wollte eine lebhafte fünfköpfige Familie bei sich aufnehmen.
    Schließlich hatte sie sich an Wohltätigkeitsorganisationen gewandt, aber da sie es bislang geschafft hatten, den Schein zu wahren, zeigten sich solche Gruppen nicht interessiert. Bei derartigen Verbänden fand man erst dann Gehör, wenn
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