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Fehltritt Im Siebengebirge

Titel: Fehltritt Im Siebengebirge
Autoren: Georg R. Kristan
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    Kapitel 1
     
     
     
    Mit seiner Versetzung nach Bonn hatte Werner Klatte nicht gerechnet. Nach einigen Jahren Knochendienst am DDR-Grenzübergang »Helmstedt-Autobahn« war ihm das Hauptzollamt Aachen schon als eine willkommene Bereicherung im dienstlichen wie auch im privaten Bereich erschienen. Und nun, ein paar Monate später, Bonn.
    Leider noch nicht das Ministerium, sondern das Zollamt Bonn-Beuel. Kein großes Amt, aber eine selbständige Dienststelle zum Angewöhnen, als deren Chef es sich leben ließ.
    Ob hinter dieser dienstlichen Wanderbewegung eine fürsorgliche Personal- und Karriereplanung stand oder ob andere Überlegungen den Ortswechsel bewirkt hatten – das verursachte ihm kein Kopfzerbrechen. Ihn freute die damit verbundene Beförderung. Im Gegensatz zu den Kollegen, die irgendwo an der 5430 Kilometer langen Grenze der Bundesrepublik Deutschland durch den obersten Dienstherrn in Bonn bis an ihr selig Ende festgenagelt zu sein schienen, hatte er nur dienstliche Glückslose gezogen.
    In Helmstedt hatte Werner Klatte schon als Oberinspektor erfolgreich mitgewirkt, einen raffiniert angelegten Embargoschmuggel mit elektronisch-optischen Zielgeräten aufzudecken. Das mußte den Brüdern der anderen Seite mächtig an die Nieren gegangen sein. Um nicht selbst zur Zielscheibe zu werden – wie der Bundesnachrichtendienst gehört haben wollte –, war Klatte zunächst an das Hauptzollamt Aachen versetzt worden. Kaum dort, hatte er mit den Zollfahndern und den Spezialisten vom Zollkriminalinstitut in Köln einen Großschmuggel mit Dieselkraftstoff auffliegen lassen. Eine ganze Firma war dabei hops gegangen. Alle Tankfahrzeuge beschlagnahmt, Steuern und Abgaben in Millionenhöhe nachgefordert, gut vierzig Arbeitslose mehr – und ein wohlhabend gewordener Unternehmer genoß die Sonnenseite des Lebens auf Barbados.
    Seither war die Tüchtigkeit des Beamten Klatte aktenkundig. Die Stichworte in seiner Beurteilung ließen eine steile Karriere erwarten. Wie hieß es dort: schlanke, sportliche Erscheinung, ausgeprägte Persönlichkeit, umfassende Allgemeinbildung, kontaktfreudig, gute, wenn auch legere Umgangsformen, überragendes Fachwissen, ausgezeichnetes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, arbeitsfreudig, gründlich, schnell und zuverlässig. Vorbild für Gleichgestellte und Untergebene, geeignet für den Aufstieg in den höheren Dienst. Gesamtnote: Tritt erheblich hervor. Für den berühmten Einser mit »ausgezeichnet« war er mit seinen gut dreißig Jahren noch zu jung. »Tritt erheblich hervor« war für die Beförderung zum Zollamtmann genau richtig.
    Seit etwas mehr als einem Monat leitete Werner Klatte das Zollamt in Bonn-Beuel und hatte sich inzwischen mit seinen neuen Aufgaben vertraut gemacht. Das besitzergreifende »meine Dienststelle« ging ihm schon glatt von der Zunge. Ein Dutzend Mitarbeiter war dabei, sich an ihn und seine lässige Art zu gewöhnen. Er kannte ihre Namen und gewann langsam ein Bild von den Menschen, mit denen er zu arbeiten hatte.
    In der nächsten Woche wollte er in seiner Eigenschaft als Steueraufsichtsbeamter die Firma Erlenborn-Spirituosen, Fabrikation und Großhandel, auf der anderen Rheinseite in Kessenich aufsuchen. Er sah dieser Betriebsprüfung mit einiger Spannung entgegen, denn dort würde er Marianne Richter, seine flotte Beziehung aus der Aachener Zeit, antreffen, diese Traumfrau, die ihm schon entglitten war, als er noch glaubte, sie gehöre nur ihm. Wie hatte sie sich in seinen Armen gestreckt, erst beim Tanz, dann bei der Liebe. Wie hatte er sie begehrt, die dunkle Schöne mit den grau-braunen Augen, deren Körper alles hielt, was er versprach. Und dann das böse Erwachen, als er erfahren hatte, daß auch sein Amtschef ihre Gunst genoß. Sie hatte keine Sekunde gezögert, ihm die Wahrheit über ihre Gefühle ins Gesicht zu sagen: »… was ich suche, kannst du mir nicht bieten. Ich will reich werden. Noch ist mein Körper mein Kapital, und ich werde ihn gewinnbringend einsetzen. Du kannst mitspielen, wenn du willst.« Auf ein solches Spiel hatte er sich damals nicht eingelassen. Der Job bei Erlenborn hatte sie offensichtlich einen Schritt in ihre Richtung weitergebracht.
    Um das Terrain zu sondieren und bei der ersten Kontrolle nicht gar zu überraschend hereinzuplatzen, griff Klatte zum Telefon.
    »Firma Erlenborn-Spirituosen, guten Tag, was kann ich bitte für Sie tun?« meldete sich eine routiniert freundliche Stimme. Sie hatte sich nicht
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