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Fangjagd

Fangjagd

Titel: Fangjagd
Autoren: Colin Forbes
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Newman, ihr Beifahrer, war weit davon entfernt, an ihrer rasanten Fahrweise Spaß zu haben. Im Gegenteil, er mußte sich sehr beherrschen, um sie nicht anzubrüllen. „Mußt du mit deinem neuesten Spielzeug so rasen, als ob wir in Brands Hatch wären?“ wollte er wissen.
    „Typisch britisches Understatement?“ fragte sie.
    „Typisch amerikanische Fahrweise – und das bei einem neuen Wagen! Du mußt ihn doch erst einmal einfahren“, stellte er fest.
    „Genau das tue ich…“
    „Nein, du ruinierst ihn. Nur weil du dir Sorgen machst wegen deines Großvaters in dieser Schweizer Klinik, mußt du uns nicht unbedingt ins Jenseits befördern!“
    „Ich frage mich manchmal wirklich, warum ich mich mit einem Engländer verlobt habe“, fauchte Nancy.
    „Du hast mir einfach nicht widerstehen können. Mein Gott, ist das eine Hitze…“
    Der 40jährige Newman hatte dichtes, sandfarbenes Haar, die zynisch dreinblickenden blauen Augen eines Mannes, der zuviel von der Schattenseite des Lebens gesehen hat, eine kräftige Nase, ein energisches Kinn und einen ausdrucksvollen Mund, zu dem sich zwei Lachfalten herabzogen. Er wußte, daß hier 45°C herrschten, er hatte die Temperaturanzeige am Turm eines Bankgebäudes gesehen, als sie Tucson verlassen hatten.
    Newman trug ein weißes Polohemd zu seiner beigefarbenen Hose und hatte eine leichte, karierte Sportjacke zusammengefaltet auf den Knien liegen. Er wußte, daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Es war 11 Uhr, und sie hatten sich soeben fast gestritten. Vielleicht gab es nächstesmal einen richtigen Streit. Er riskierte es.
    „Nancy, falls du rauskriegen willst, warum dein Großvater auf dem Luftweg in die Schweiz verfrachtet worden ist, fährst du in die falsche Richtung. Diese Straße führt nicht zur Klinik Bern…“
    „Ach, Scheiße!“
    Sie bremste so scharf, daß Newman gegen die Windschutzscheibe geprallt wäre, wenn er nicht, wie sie übrigens auch, angeschnallt gewesen wäre. Sekunden zuvor war sie von der Straße auf einen Parkplatz abgebogen. Sie stieß ihre Tür auf, sprang aus dem Wagen, kehrte Newman den Rücken zu und blieb mit verschränkten Armen vor der niedrigen Begrenzungsmauer stehen. Der Engländer seufzte.
    Sie hatte den Motor natürlich nicht abgestellt. Er drehte den Zündschlüssel um, zog ihn heraus und steckte ihn ein, bevor er ausstieg und sich neben Nancy stellte. Newman beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Wenn sie wütend war, wirkte die 29jährige Ärztin Nancy Kennedy besonders hinreißend. Ihre glatte, sonnengebräunte Haut war rosig angehaucht, und sie warf ihre schulterlange, schwarze Mähne mit einer ruckartigen Kopfbewegung nach hinten. Newman liebte es, den schlanken Nacken unter dieser rabenschwarzen Pracht zu streicheln aber in diesem Augenblick hütete er sich, es auch nur zu versuchen.
    Frau Dr. Kennedy war mit 1,73 Meter zehn Zentimeter kleiner als Newman, hatte sehenswerte Beine und verdankte ihrer Sportlichkeit eine Figur, die alle Männeraugen auf sich zog, wenn die beiden ein Restaurant betraten. Jetzt warf sie aufgebracht den Kopf in den Nacken und ließ dabei ein klassisch schönes Profil mit gerader Nase, hohen Backenknochen und willensstarkem Kinn erkennen.
    Sie überraschte Newman immer wieder aufs Neue. Er hatte sie im weißen Ärztemantel gesehen, bei der Ausübung ihres Berufs, ungemein kompetent und selbstbeherrscht – im Privatleben jedoch zeigte Nancy das Temperament einer Dämonin. Er hatte manchmal den Verdacht, daß gerade dieser Gegensatz ihn an ihr reizte – ganz abgesehen von ihren körperlichen Vorzügen.
    „Was schlägt der berühmte Auslandkorrespondent vor?“ erkundigte sie sich sarkastisch.
    „Daß wir nach Tatsachen – Beweisen – Ausschau halten, anstatt ins Blaue loszurasen…“ Newman betrachtete die Aussicht, die vor ihnen lag, und korrigierte sich : „Ins Schmutziggraue, meine ich.“
    Jenseits der niedrigen Mauer fiel die Straße in noch steileren Serpentinen und Kehren ab. Dahinter ragte ein wahres Höllengebirge auf, eine Ansammlung gigantischer Lavakegel ohne die geringsten Anzeichen einer Vegetation.
    „Wir wollten uns doch einen wunderschönen Tag im Wüstenmuseum gönnen“, schmollte sie. „Dort gibt’s einen unterirdischen Biberbau. Man kann eine Treppe runtergehen und die Biber in ihrem Bau beobachten…“
    „Und du würdest die ganze Zeit nur sorgenvoll an Jesse Kennedy denken und bloß von ihm reden!“
    „Er hat mir Vater und Mutter ersetzt, nachdem meine
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