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Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)

Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)

Titel: Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Autoren: Heike Schroll
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Sonnabend
    Altmark, Waldau 1986
    ~ 1 ~
     
    Alle rannten hinter der Sau her.
»Pass auf!«
»Halt sie fest!«
»Wie denn?«
»Mach doch mal!«
»Sehr hilfreich!«
Zwar lief das Borstenvieh bestimmt nicht schneller als seine Jäger, doch schien es entschlossen, seine geglückte Flucht auszukosten und sie notfalls alle über den Haufen zu rennen.
Laura musste sich eingestehen, dass es ihr an der nötigen Unerschrockenheit mangelte, das Tier einzufangen. Mal abgesehen davon, dass sie nicht wusste, an welcher Stelle man ein Schwein zu diesem Erfordernis am besten anfasst und ob man es überhaupt festhalten kann. Ihr war ja noch nie eines ausgebüxt! Vielleicht würde es ja beißen? Und Ortspolizist Walter Dreyer, der immerhin der Eigentümer der geflohenen Sau war, hätte zwar gewusst, wie sie einzufangen wäre, jedoch konnten seine Fähigkeiten in dem Gewusel von Mensch und quiekendem Tier nicht zum Tragen kommen.
Zu allem Überfluss war es wieder eine bitterkalte Nacht gewesen und dicker Raureif machte das Kopfsteinpflaster tückisch glatt. Außerdem mussten Laura und Walter lachen, so absurd war die Situation. Da rannten vier gestandene Leute einem renitenten Schwein mit lautem Getöse über den Dorfplatz hinterher, dass es eine Freude war! Doch sie hatten einen nachvollziehbaren Grund: Heute sollte geschlachtet werden. Und das ausgesuchte Opfer wollte sich offenbar nicht dazu hergeben.
So stolperte denn auch ein Mann mit grauweißer, langer Gummischürze, oberschenkellangen Gummistiefeln, rosaroten, riesigen Gummihandschuhen und weißer Schirmmütze dem Schwein hinterher, welches er gerade mit einem Bolzenschussgerät erledigen wollte, als es sich zu seinem Ausflug entschloss. Die Gummikleider gaben bei jeder Bewegung ein unangenehm schlurfendes, stumpfes und deutlich hörbares Geräusch von sich, das er nicht vermeiden konnte, so vorsichtig er sich auch bewegte. Das alles war ihm furchtbar peinlich. Nicht nur, dass seine Unbeholfenheit in dieser Montur ihn praktisch unbrauchbar für die Jagd machte, nein, mit Sicherheit zog das Schauspiel mehr Aufmerksamkeit auf sich, als ihm recht sein konnte – immerhin war er der Schlachter, der Fachmann. Und dann passierte so etwas: Irgendwie hatte sich das Hanfseil am Hinterfuß der Sau gelöst.
Als Verstärkung beteiligte sich Irmgard Rehse, die Schwester von Lauras Großmutter und wie Laura enge Nachbarin Walter Dreyers, ebenfalls an der Verfolgung, obwohl sie kaum mehr als moralischen Beistand zu leisten imstande war. Und wem der in diesen Momenten genau galt?
Plötzlich fiel die Sau um, einfach so, und war tot. Mitten auf der Straße.
Überrascht und zugegebenermaßen auch erleichtert, standen sie nun um das Tier herum.
»Kann man es jetzt noch essen?« Laura war sich nicht sicher.
Die beiden Männer sahen sich vielsagend an und würdigten sie keiner Antwort.
»Jetzt aber schnell, wir brauchen einen Handwagen«, rief Walter und flitzte mit Laura zu seinem Hof zurück, so schnell es das glatte Pflaster eben zuließ. Er schnappte sich das hölzerne Gefährt, und Laura hatte gar keine Gelegenheit, mit anzufassen, so schnell trat er den Rückweg an.
Vereint hievten sie den mächtigen Fleischberg auf den Wagenboden und während die Männer die Ladung zu Dreyers Hof zogen, versuchten Laura und Irmgard Rehse durch Schieben den Transport zu unterstützen.
Zwei Böcke waren im Freien aufgestellt, auf die mit erheblicher Anstrengung eine Sprossenleiter mit dem Tier gehoben wurde. Das Schwein lag nun rücklings dort, wo es vor zwanzig Minuten schon hätte liegen müssen.

Zum Glück hatte so früh am Morgen niemand den Zwischenfall beobachtet, zumindest hofften das alle Beteiligten. Doch mit dieser Annahme lagen sie falsch.
»Was macht ihr denn da!?« Eine blonde Frau, tiefbraune Augen, Mitte dreißig, und trotz ihrer dicken winterlichen Kleidung elegant aussehend, stand am Hoftor und besah erstaunt die Szenerie.
»Judith, woher in Gottes Namen ...?« Verwirrt starrte Walter Dreyer seine Kollegin an, mit der er im vergangenen Herbst gemeinsam ermittelt hatte.
»Können wir jetzt endlich anfangen?« Der Schlachter, dem diese überraschende Situation einerlei war, wurde ungeduldig. »Ich brauche heißes Wasser zum Abbrühen.«
Doch Walter Dreyer benötigte einen Moment, um sich auf sein völlig unverhofftes Wiedersehen mit Judith Brunner einzustellen, also musste Laura auf die Aufforderung des Schürzenmannes reagieren und ging in Walters Küche, wo sie mehrere
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