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Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)

Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)

Titel: Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Autoren: Heike Schroll
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Konzept nicht tragfähig genug. Zumindest nicht für Botho Ahlsens, und der fragte sich allmählich, wie das weitergehen sollte.
Zu seiner Überraschung war Leon im letzten Herbst in Waldau aufgetaucht, um an der Beerdigung von Paul Ahlsens teilzunehmen. Eines Nachmittags, als er gerade mit seiner Nichte Astrid im Wintergarten saß und einen Kaffee trank, beobachteten sie einen schlanken, jungen Mann von Mitte zwanzig, dem eine natürliche Eleganz nicht abzusprechen war, wie er durch ihren Gutspark spazierte, als gehöre er ihm. Er hatte längeres, dunkelblondes Haar, trug lässig einen schwarzen, weichen Schal, und als er wenige Minuten später ungeniert an eine Scheibe des Wintergartens klopfte, konnten sie seiner charmanten Vorstellung nicht widerstehen. Sie nahmen ihn sofort als Gast auf.
Botho Ahlsens hatte von Leons Existenz zwar vor etlichen Jahren von einer entfernten Verwandten erfahren, ihn aber nie zu sehen, geschweige denn etwas Neues zu hören bekommen. Schon damals konnte er dessen Eltern kaum noch mit seiner Familie in Zusammenhang bringen. Eine gewisse Verwandtschaft ließ sich nicht leugnen, zumal die graublauen Augen des Jungen, die stets zu lächeln schienen, bereits auf den Fotos mehrerer Generationen und Familienzweige der Ahlsens zu sehen waren. Dennoch hatte Botho Ahlsens in letzter Zeit mehrfach ernsthaft überlegt, ob er tatsächlich noch fassbar mit Leon verwandt war. Das hätte den Verantwortungsdruck etwas gemildert, den er nun spürte.
Noch vor einigen Monaten war Botho Ahlsens das alles völlig egal gewesen; er sah in Leons Gesellschaft eine willkommene Möglichkeit, seine Nichte auf andere Gedanken zu bringen und seine Besorgnis wegen ihr zu zerstreuen. Astrid hatte sich seit den tragischen Ereignissen im Herbst stark verändert. Anfangs erschien ihm ihre Niedergeschlagenheit vollkommen natürlich, obwohl er sich schon wunderte, dass sie in diesem Maße mitgenommen war. Aus dieser Apathie tauchte die junge Frau nicht wieder auf. Daran hatte leider auch Leons Einquartierung nichts ändern können. Nach einigen Wochen befürchtete Botho Ahlsens eine schwere Depression, und dann, plötzlich, war Astrid für einige Tage ausgelassen und fröhlich wie zuvor. Seither beobachtete er diese Stimmungsschwankungen.
Und mit Leon hatte er statt einem nun zwei Problemkinder im Haus. Das hatte er sich eingestehen müssen und deswegen führte er jetzt dieses Gespräch.
»Na los, was möchtest du?« Leon fragte arglos.
Botho Ahlsens wurde ernst. »Ich möchte, dass du aufhörst, dem lieben Gott den Tag zu stehlen, oder dass du wieder ausziehst.«
Ein Blick in Leons Augen sagte ihm, dass dies das Letzte war, womit der junge Mann gerechnet hatte. »Was meinst du?«
»Leon, ich bitte dich! Wie alt bist du? Was hast du gedacht, wie das hier weitergehen soll? Wartest du auf irgendeine dramatische Wende in deiner Biografie?«
Leon war perplex. »Was ist los? Habe ich etwas falsch gemacht? Ich entschuldige mich dafür, was es auch ist!«
Er klang aufrichtig. »Herrje, darum geht es nicht.«
»Worum dann?«
»Als du vor Monaten hier ankamst, hast du mir deine Hilfe auf dem Gut angeboten, erinnerst du dich?«
Leon nickte, sehr vorsichtig, fast unmerklich.
»Das war aufmerksam und nett, wenn ich auch nicht einschätzen konnte, ob du die nötige Qualifikation dafür mitbringst. Ich habe es jedenfalls ernst genommen. Und nun denke ich, dass das mein Fehler war.«
Lange schwiegen beide.
»Es tut mir leid.«
Das kam Botho Ahlsens zu glatt. »Was tut dir leid?« So einfach wollte er es dem Jungen nicht machen. »Dass ich so naiv war, oder dass ich etwas von dir erwarte?«
»Na ...«
»Na?«
Eine Antwort fiel Leon schwer: »Wo soll ich denn nun hin? Im Winter!«
Botho Ahlsens hatte eigentlich gehofft, Leon böte an dieser Stelle seine tätige Hilfe an, würde irgendeine Aufgabe übernehmen, etwas mit seiner Zeit anzufangen. Aber nein! Er wählte prompt den Teil seines Ultimatums, der ihm selbst nicht ganz einfach über die Lippen gekommen war. Der Junge versuchte sogar, ihm ein schlechtes Gewissen zu machen und Mitleid zu erheischen. Nicht schlecht! Wie oft hatte diese Masche wohl schon funktioniert? »Das ist mir eigentlich egal. Du bist erwachsen, Leon. Eine Woche müsste reichen, eine neue Bleibe zu finden. Oder eine sinnvolle Aufgabe!« Botho Ahlsens stand auf. Für ihn war das Gespräch beendet.
     
     
    ~ 5 ~
     
    Als Fritzi aufwachte, konnte er nicht feststellen, wo er war. Alles war dunkel,
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