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Furien im Finstern

Furien im Finstern

Titel: Furien im Finstern
Autoren: A. A. Fair
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1

    An der Tür stand Cool & Lam — Vertrauliche Nachforschungen. Der Blinde allerdings konnte das nicht lesen. Der Fahrstuhlführer hatte ihm die Zimmernummer genannt. Angefangen bei der ersten Tür an der Ecke des Korridors hatte sich der Blindenstock beharrlich vorwärts getappt, bis der gebrechliche, knochige Schattenriß sich schwarz in das Mattglas der Eingangstür zeichnete.
    Elsie Brand sah von ihrer Schreibmaschine hoch auf den schmächtigen alten Mann, die große dunkle Brille, den gestreiften Stock, den Bauchladen voller Krawatten und Bleistifte und die Blechtasse. Sie hörte auf, die Tasten zu bearbeiten.
    Der Blinde sprach, bevor sie überhaupt die Möglichkeit hatte, etwas zu sagen.
    »Mrs. Cool.«
    »Beschäftigt.«
    »Ich warte.«
    »Hat kaum Zweck.«
    Einen Augenblick lang schien der Mann verwirrt. Dann zuckte ein schwaches Lächeln über seine eingefallenen Züge. »Es ist geschäftlich«, sagte er, und eine halbe Sekunde später fügte er hinzu: »Ich habe Geld.«
    »Das ist etwas anderes«, meinte Elsie Brand. Sie griff nach dem Telefon, überlegte es sich dann aber besser, stieß ihren Drehstuhl vom Schreibtisch zurück, wirbelte herum, sagte: »Warten Sie einen Augenblick«, durchquerte das Zimmer und öffnete die Tür mit der Aufschrift B. Cool — Nur nach Anmeldung.
    Bertha Cool, irgendwo in den Fünfzigern, 165 Pfund eiskalter Realismus, saß in einem großen Drehstuhl hinter ihrem Schreibtisch und sah Elsie Brand mit grauäugiger Skepsis entgegen.
    »Nun, was ist los?«
    »Ein Blinder.«
    »Jung oder alt?«
    »Alt. Ein Straßenhändler mit Bauchladen, Krawatten, Blechtasse und...«
    »Rausschmeißen.«
    »Er möchte Sie sprechen — geschäftlich.«
    »Hat er Geld?«
    »Er sagt, er hätte.«
    »Was will er denn?«
    »Hat er nicht gesagt.«
    Bertha funkelte Elsie Brand an. »Führen Sie ihn herein. Warum, zum Teufel, stehen Sie noch da herum? Wenn er einen Auftrag für uns hat und Geld, was wollen wir dann noch mehr?«
    »Ich wollte mich nur vergewissern.« Elsie Brand öffnete die Tür. »Kommen Sie herein«, sagte sie zu dem Blinden.
    Der Blindenstock tappte durch das Büro und erreichte Berthas Allerheiligtum. Dort angelangt, blieb der Mann zögernd stehen. Den Kopf zur Seite geneigt, lauschte er gespannt.
    Sein scharfes Gehör registrierte irgendein feines Geräusch aus Berthas Richtung. Er drehte sich zu ihr hin, so, als wenn er sie sehen könnte, verbeugte sich und sagte: »Guten Morgen, Mrs. Cool.«
    »Setzen Sie sich«, sagte Bertha. »Elsie, holen Sie den Stuhl dort für ihn. So ist es gut. Das wär's, Elsie. Setzen Sie sich, Mr... wie war doch der Name?«
    »Kosling. Rodney Kosling.«
    »Ist gut. Setzen Sie sich. Ich bin Bertha Cool.«
    »Ja, ich weiß. Wo ist der junge Mann, der mit Ihnen zusammenarbeitet, Mrs. Cool? Donald Lam heißt er, glaube ich.«
    Berthas Gesicht verfinsterte sich. »Verdammt soll er sein«, fauchte sie.
    »Wo ist er denn?«
    »Bei der Marine.«
    »Oh.«
    »Hat sich freiwillig gemeldet«, sagte Bertha. »Und ich hatte alles so gedeichselt, daß er zurückgestellt war — hatte einen Auftrag vom Verteidigungsministerium angenommen, nur um ihn vor dem Militärdienst zu bewahren. Alles bestens eingefädelt. Hatte ihn als unabkömmlichen Arbeiter in einer lebenswichtigen Industrie klassifizieren lassen — und dann läßt sich dieser verdammte Zwergochse bei der Marine anheuern.«
    »Ich vermisse ihn«, stellte Kosling fest.
    Bertha sah in finster an. »Sie vermissen ihn? Wußte gar nicht, daß Sie ihn kannten?«
    Der Blinde lächelte schwach. »Ich glaube, ich kenne jeden meiner Stammkunden.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Mein Revier liegt einen halben Block weiter an der Ecke vor dem Bankgebäude.«
    »Stimmt! Jetzt, wo ich daran denke, fällt mir ein, daß ich Sie dort schon gesehen habe.«
    »Ich kenne fast jeden, der vorbeigeht.«
    »Oh«, sagte Bertha, »ich verstehe.« Sie lachte.
    »Nein, nein«, verbesserte er sie hastig. »Nicht, was Sie denken. Ich bin wirklich blind. Es sind die Schritte, die ich erkenne.«
    »Sie meinen, Sie können den Schritt einzelner Leute aus einer ganzen Menge heraushören?«
    »Aber sicher«, sagte Kosling schlicht. »Leute gehen genauso charakteristisch wie alles andere, das sie tun. Die Schrittlänge, Schrittgeschwindigkeit, das leichte Schlurfen der Absätze — ach, es gibt ein Dutzend Anhaltspunkte. Und dann höre ich natürlich manchmal auch ihre Stimmen. Stimmen sind eine große Hilfe. Sie und Mr. Lam zum Beispiel
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