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Furien im Finstern

Furien im Finstern

Titel: Furien im Finstern
Autoren: A. A. Fair
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haben fast immer gesprochen, wenn Sie vorbeigingen. Das heißt, Sie haben. Sie haben ihn über Fälle befragt, an denen er gerade arbeitete, morgens, auf dem Weg zur Arbeit. Und abends drängten Sie ihn, Tempo vorzulegen und Ergebnisse zu liefern. Er sagte selten viel.«
    »Das war auch nicht nötig«, grunzte Bertha. »Er ist der cleverste Bursche, den ich je hatte — aber eigensinnig. Einfach abhauen und zur Marine gehen! Das beweist doch, daß er einen Fimmel hat. Alles war in Butter. Er war zurückgestellt, hat dicke verdient. Gerade neulich erst hab' ich ihn als vollen Partner aufgenommen — und dann haut er ab zur Marine.«
    »Er hatte wohl das Gefühl, sein Land braucht ihn.«
    »Und ich habe das Gefühl, daß ich ihn brauche.«
    »Ich habe ihn immer gemocht«, sagte der Blinde. »Er war rücksichtsvoll und aufmerksam. Bestimmt ging es ihm dreckig, bevor er bei Ihnen angefangen hat, nicht wahr?«
    ^ »Er war so ausgehungert, daß seine Gürtelschnalle an der Wirbelsäule schabte. Ich habe ihn aufgenommen und ihm eine Existenz geboten. Bis zum Partner hat er es gebracht — und dann verschwindet er und läßt mich im Schlamassel sitzen.«
    »Selbst, als es ihm selber ziemlich dreckig ging, hatte er immer ein freundliches Wort übrig. Und als er anfing, ein bißchen zu verdienen, fiel auch was für mich dabei ab — aber er hat mir nie Geld gegeben, wenn Sie dabei waren. Allerdings wollte er nie mit mir reden, wenn er Geld in meine Blechtasse warf.« Der Blinde lächelte und fuhr fort: » Als wenn ich nicht gewußt hätte, daß er es war. Ich kannte seinen Schritt wie seine Stimme. Aber er dachte wohl, es würde mich weniger in Verlegenheit bringen, wenn ich nicht wüßte, von wem die Gabe stammte — als ob ein Bettler überhaupt noch Stolz hätte. Wenn ein Mann erst einmal anfängt zu betteln, dann nimmt er Geld von jedem, der es ihm gibt.«
    Bertha Cool richtete sich hinter ihrem Schreibtisch auf. »Nun denn«, sagte sie bestimmt, »da wir gerade vom Geld reden: Was wollen Sie?«
    »Ich suche ein Mädchen.«
    »Wer ist sie?«
    »Ich kenne ihren Namen nicht.«
    »Wie sieht sie aus? Oh, verzeihen Sie.«
    »Das macht nichts«, sagte der Blinde. »Ich sage Ihnen alles, was ich über sie weiß. Sie arbeitet in einem Umkreis von drei Blöcken von hier. Sie hat eine gutbezahlte Stellung, ist ungefähr 25 oder 26, schlank, wiegt um die 105 oder 106 Pfund und ist etwa 160 Zentimeter groß.«
    »Woher wissen Sie das alles?«
    »Meine Ohren haben es mir verraten.«
    »Ihre Ohren können Ihnen unmöglich verraten, wo sie arbeitet«, sagte Bertha.
    »O doch, das können sie.«
    »Ich nehme es Ihnen ab«, sagte Bertha. »Was ist der Trick dabei?«
    »Kein Trick. Ich weiß immer, wie spät es ist. Da ist eine Uhr, die die Stunden schlägt.«
    »Was hat das damit zu tun?«
    »Sie kam immer zwischen fünf und drei vor neun an mir vorbei. Wenn es drei vor neun war, ging sie sehr schnell. War es fünf vor neun, lief sie langsamer. Bei den Jobs, wo man um neun Uhr anfängt, handelt es sich um bessere Stellungen. Die meisten Stenotypistinnen fangen in dieser Gegend um halb neun an. Ihr Alter kann ich an ihrer Stimme abschätzen, die Größe an der Schrittlänge. Und ihr Gewicht vom Klang ihrer Schritte auf dem Bürgersteig. Es würde Sie überraschen, was man nicht alles mit seinen Ohren herausfinden kann, wenn man erst einmal gelernt hat, sich auf sie zu verlassen.«
    Bertha Cool dachte einen Moment darüber nach. »Ja, Sie mögen recht haben.«
    »Wenn man blind wird«, erklärte Kosling, »fühlt man sich entweder von der Welt ausgeschlossen, ohne Platz im Leben, und verliert das Interesse. Oder man behält das Interesse am Leben und entschließt sich, es mit seinem Schicksal aufzunehmen und das Beste daraus zu machen.«
    Bertha Cool wich der sich anbahnenden philosophischen Diskussion aus und brachte das Gespräch wieder zurück auf Dollar und Cent. »Warum wollen Sie, daß ich dieses Mädchen für Sie finde? Warum können Sie sie nicht selbst finden?«
    »Sie wurde bei einem Autounfall an der Straßenkreuzung verletzt. Es war letzten Freitag, ungefähr 17.45 Uhr. Sie muß wohl im Büro Überstunden gemacht haben, glaube ich, und war in Eile, als sie bei mir vorbei kam. Vielleicht hatte sie eine Verabredung und mußte sich sputen, nach Hause zu kommen, um sich umzuziehen. Ich glaube, sie kann nicht mehr als zwei Schritte vom Bürgersteig herunter gewesen sein, als ich das Reifenquietschen hörte, dann einen dumpfen Schlag
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