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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto
Autoren: Anne Rice
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Moschus, schmeckte Salz. Er gab einen kehligen Schrei von sich, als er den trockenen, kahlen Höhepunkt seiner eigenen Lust erlebte.
    In diesem Moment jedoch, als er schwach und immer noch zitternd die Hüften des Maestro umklammerte, spritzte ihm dieser seinen Samen in den Mund. Mit übermächtigem Durst öffnete Guido weit seinen Mund, während ihn diese Bitterkeit, diese Köstlichkeit zu ersticken drohte.
    Er senkte den Kopf, sackte zusammen und erkannte plötzlich, daß ihm, wenn er die Flüssigkeit nicht sogleich schluckte, schlecht werden würde. Von Übelkeit geschüttelt, wich er zu-rück, während er sich darum bemühte, seine Lippen verschlossen zu halten.
    »Komm her...«, flüsterte der Maestro. Er versuchte Guido bei den Schultern zu fassen. Aber Guido hatte sich auf den Boden gelegt. Er war unters Cembalo gekrochen, hatte die Stirn flach gegen die kalten Fliesen gepreßt. Die Kälte tat ihm wohl.
    Er merkte, wie sich der Maestro neben ihn kniete, und wandte das Gesicht ab.
    »Guido...«, sagte der Mann sanft. »Guido...«, so als wolle er ihn schelten. Wann hatte er diesen betörenden Tonfall schon einmal gehört?
    Guido stöhnte auf, und dieses Stöhnen war von solcher Qual erfüllt, daß es ihn selbst überraschte.
    »Nein, nein, Guido ...« Der Maestro kauerte neben ihm. »Hör zu, Kleiner«, schmeichelte er.
    Guido preßte sich die Hände auf die Ohren.
    »Hör zu«, fuhr der Mann beharrlich fort, während er die Haare in Guidos Nacken kraulte. »Das Publikum wird dir zu Füßen liegen«, flüsterte er.
    Und als dann nur noch Stille herrschte, lachte der Maestro. Es war ein leises, ein sanftes Lachen, nicht spöttisch. »Du wirst es schon noch erfahren«, sagte er. Er erhob sich wieder. »Du wirst es erfahren, wenn Bravorufe in deinen Ohren klingen, wenn die Leute dich mit Huldigungen und Blumen überschütten.«

    5

    Es kam nur noch selten vor, daß Marianna Tonio schlug. Mit dreizehn war er so groß wie sie.
    In dem Leben, das sie miteinander teilten, ob es nun beim Tanzen oder Singen, beim Spielen oder Lesen war, hatte Tonio nun die Führungsrolle übernommen.
    Sehr früh war ihm klargeworden, daß seine Mutter viel kindlicher war als er selbst und daß sie ihm niemals hatte weh tun wollen. Aber sie war ihren düsteren Stimmungen hilflos ausge-liefert. In einem solchen Augenblick brach die Welt regelrecht über ihr zusammen, und wenn er sich dann auch noch weinend und ängstlich an sie klammerte, hatte er sie damit erschreckt.
    Er lernte allmählich, in solchen Situationen seine Ängste zu kaschieren, und bemühte sich darum, seine Mutter zu besänftigen und abzulenken. Er versuchte stets, sie aus ihrer düsteren Stimmung herauszuholen, sie zu unterhalten.
    Ein unfehlbarer Weg dazu war die Musik.

    Sie war mit der Musik aufgewachsen. Als sie kurz nach ihrer Geburt zur Waise geworden war, hatte man sie ins Ospedale della Pietà gebracht. Dieses Waisenhaus gehörte zu den vier berühmten kirchlichen Musikschulen Venedigs. Sein nur aus Mädchen bestehender Chor und sein Orchester waren in ganz Europa berühmt. Kein Geringerer als Antonio Vivaldi war dort als Maestro di Cappella tätig gewesen. Bei ihm hatte sie, als sie gerade einmal sechs Jahre alt war und sich bereits ihr gro-
    ßes Talent zu zeigen begann, Singen und Geige spielen gelernt.
    Vivaldis Kompositionen, darunter auch handschriftlich abgefaßte Vokalisen, die er damals für die Mädchen geschrieben hatte, lagen stapelweise in ihrem Zimmer herum. Auch jetzt noch ließ sie sich stets die Partituren seiner neuesten Opern bringen.
    Von dem Augenblick an, als sie erkannte, daß Tonio ihre Stimme geerbt hatte, hatte sie ihn mit verzweifelter und bitterer Liebe überhäuft. Sie brachte ihm seine ersten Lieder bei und lehrte ihn, nach dem Gehör zu singen und zu spielen, so daß seine Hauslehrer nur noch staunen konnten. Hin und wieder bekannte sie: »Wenn du taub auf die Welt gekommen wärst, dann hätte ich dich ertränkt. Oder mich.« Und als er klein war, hatte er ihr das auch geglaubt.
    Also zeigte er ihr, selbst wenn sie sich in allerschlimmster Laune befand, ihr Atem nach Wein stank und ihr Blick glasig und böse war, stets ein heiteres Gesicht und versuchte, sie ans Cembalo zu locken.
    »Komm, Mamma«, sagte er dann sanft, so als wäre alles in Ordnung. »Komm, Mamma, singen wir etwas.«
    Sobald er hörte, wie sie in seinen Gesang mit einstimmte, er-füllte ihn Heiterkeit. Sein kräftiger, heller Sopran reichte zwar höher hinauf, der
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