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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto
Autoren: Anne Rice
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Superior, um sich von ihm zu verabschieden.
    Die Mönche im Garten schnitten gerade frische Palmzweige und legten sie in einen hölzernen Schubkarren. Da wußte er, daß dieser Tag der Freitag vor Palmsonntag sein mußte. Er hatte nur noch zwölf Tage, dann begann die Opernspielzeit.

    Als er die Poststation erreichte, war er hungrig. Er nahm eine herzhafte Mahlzeit zu sich und begann mit ungewöhnlichem Interesse das Kommen und Gehen der Reisenden zu beobachten. Schließlich mietete er das beste Pferd, das er bekommen konnte, und ritt nach Süden auf Florenz zu.

    In Fiesole, kurz vor Tagesanbruch, sah er das erste Opernpla-kat.
    Es war Palmsonntag, alte Frauen und Arbeiter kamen gerade mit ihren geweihten Palmzweigen aus der Frühmesse. Aus den offenen Türen der Kathedrale ergoß sich ein warmer Lichtschein auf die Pflastersteine.
    Tonio ritt im Schritt über die Piazza , als er auf einer verwitter-ten Mauer in großen Buchstaben seinen Namen geschrieben sah: SIGNORE TONIO TRESCHI.
    Der Name kam ihm wie eine Geistererscheinung vor. Dann packte ihn eine so heftige Erregung, daß er sich dabei ganz töricht vorkam. Er ritt an die Mauer heran und starrte das zerknitterte Plakat an.
    Es war mit einer üppigen Umrandung in Rot und Gold versehen und kündigte die Ostervorstellung von XERXES im Teatro Di Via Della Pergola in Florenz an. Sogar Guidos Name war aufgeführt, allerdings in weit kleinerer Schrift. Auch ein Portrait von Tonio war zu sehen, ein ovaler Kupferstich, der in der Tat sehr schmeichelhaft war. Darunter standen ein paar blumige Verse, in denen seine Stimme gelobt wurde.
    Er ließ sein Pferd einen kleinen Schritt nach vorn und dann wieder zurück machen, suchte dabei mit einer Hand an der Mauer Halt. Er konnte sich gar nicht von dem Plakat losreißen.
    Dann fragte er den ersten Passanten, der vorbeikam, wie weit es noch bis nach Florenz war.
    »Reiten Sie den Berg hinauf, dann können Sie die Stadt schon sehen«, bekam er zur Antwort.

    Der Himmel war immer noch dunkel und sternenübersät, als er die Bergkuppe erreichte und Florenz vor ihm ausgebreitet im Tal lag. Durch den Morgendunst sah er Glockentürme, Hunderte von blinkenden Lichtern und den ruhig dahinfließenden Arno. Das, was er sah, erschien ihm so schön wie das schlafende Bethlehem auf Weihnachtsbildern.

    Während er die Kirchtürme in der Ferne betrachtete, wurde ihm klar, daß es in seinem ganzen Leben noch keinen Augenblick wie diesen gegeben hatte.
    Vielleicht hatte er, als er am Premierenabend in den Seitenkulissen des Theaters in Rom gewartet hatte, etwas erlebt, was dieser wachsenden Erregung ähnelte. Vielleicht hatte er sie vor Jahren in Venedig erlebt, als er zum Fest der Senza aufs Meer hinausgefahren war.
    Aber er verweilte in Gedanken nicht in der Vergangenheit.
    Noch vor Sonnenaufgang würde er bei Guido und Christina sein. Dann würden sie zum ersten Mal wirklich vereint sein.

    NACHWORT

    Falsetto hätte nicht ohne umfassende Recherchen entstehen können. Ich bin nicht nur vielen Schriftstellern dieser Zeit zu Dank verpflichtet, sondern auch den Autoren zahlreicher wis-senschaftlicher wie populärer Werke, die sich mit der Oper und den Kastraten, dem achtzehnten Jahrhundert, mit Kunst und Musik sowie mit Italien und den Städten Neapel, Rom und Venedig beschäftigen.
    Außerdem habe ich viel Material über die körperlichen Folge-erscheinungen einer Kastration zu Rate gezogen. Mein besonderer Dank gilt dabei Robert Owen, M. D., der mir geholfen hat, mich durch das Dickicht an medizinischer Literatur zu diesem Thema durchzukämpfen. Ich möchte mich auch bei Anne-Marie Bates bedanken, die so großzügig war, mir eine Ton-bandaufnahme von Alessandro Moreschi zur Verfügung zu stellen, dem letzten Kastraten der Sixtinischen Kapelle und dem einzigen Kastraten, dessen Stimme je aufgezeichnet wurde.
    Sämtliche Hauptfiguren in diesem Buch sind fiktiv. Obwohl ich mich sehr bemüht habe, die Kastraten und das achtzehnte Jahrhundert sorgfältig zu schildern, habe ich mir erlaubt, mit den Personen und der Zeit etwas freier zu verfahren. Nicolino, Farinelli und Caffarelli haben wirklich gelebt. Sie waren be-rühmte Kastraten. Caffarellis Auftritte in diesem Buch sind jedoch erfunden.
    Die Beschreibung von Guidos Lehrmethoden basiert auf Early History of Singing von W. J. Henderson, Vereinfachungen und Ungenauigkeiten liegen dabei in meiner Verantwortung.
    Die direkte Inspiration für Tonios erste musikalische Erfahrungen in San Marco
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