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Falsches Spiel

Falsches Spiel

Titel: Falsches Spiel
Autoren: Mariano Hamilton
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möglich verschwinden.«
    Susana starrte die Leichen an. Ich war mir nicht sicher, ob die Szene ihr tatsächlich so missfiel.
    »Wo ist Andrés?«, fragte sie.
    »Im Bad.«
    »Ist er tot?«
    »Ja.«
    »Ich will ihn sehen«, sagte sie.
    »Dafür haben wir keine Zeit. Die Polizei wird jeden Moment hier sein. Du wirst ihn schon tot sehen, wenn man dich in die Pathologie bestellt, um ihn zu identifizieren.«
    Ich packte sie am Arm und zog sie hinaus. Gemeinsam liefen wir zu den Plattenbauten am Ende der Recuero, wo es ziemlich bergauf geht. Wir flüchteten uns zum Parque Chacabuco. Es war halb vier in der Frühe.
    »Lass uns ein Taxi nehmen«, flehte Susana. »Ich kann nicht mehr.«
    »Nein. Wir müssen zu Fuß gehen. Man darf uns nicht mit diesem Ort in Verbindung bringen. Ich will kein Risiko mehr eingehen«, sagte ich und stieß sie weiter.
    Nach etwa einer Stunde Fußmarsch erreichten wir die Rivadavia und die Avenida La Plata. Dort nahmen wir dann ein Taxi zu Susanas Wohnung. Ich versorgte die Wunden an ihren Armen und sagte ihr, sie solle sich ein wenig ausruhen. Ich legte mich auf die Couch und binnen weniger Minuten war ich eingeschlafen.
    Kurz vor neun wachte ich auf. Susana lag noch im Schlafzimmer. Vom Telefon im Wohnzimmer aus rief ich Espiño an.
    »Der Spuk ist vorbei«, sagte ich. »Mehr dazu später. Sag María, dass ich wohlauf bin. Wenn du mit Sandra Forrester sprichst, sag ihr, dass ich ab Nachmittag wieder zu erreichen bin. Sie soll mich im Büro anrufen.«
    Ich legte auf und kehrte zum Sofa zurück. Ich war groggy. Ich schloss die Augen und schlief sofort ein.

45
    In der ersten Woche schlug die Sache ordentlich Wellen. Die Medien berichteten ausführlich über den Tod der beiden Ärzte; es war ein gefundenes Fressen, vor allem, weil Forrester der Vater des vor mehr als zwei Monaten verschwundenen Mädchens war. Merkwürdig war nur, dass die vier toten Polizisten vor Ort und die drei weiteren im Haus der Forresters in San Antonio de Padua mit keiner Silbe erwähnt wurden. Als wäre eine Nachrichtensperre verhängt worden. Der Nachrichtendienst musste sich ganz schön ins Zeug gelegt haben, um die Geschichten unter den Teppich zu kehren.
    Drei Tage später reisten María und ich nach Montevideo und kümmerten uns um die Ausreise von Carla und Sandra Forrester, María Inés, Andrea und José Luis. Sandra hatte Freunde in Mexiko, die einen Kontakt zur Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten herstellten. Man verschaffte ihnen die nötigen Dokumente, und sie konnten als Exilanten nach Mexiko ausreisen. Wir halfen bei den Formalitäten, hielten uns aber ansonsten im Hintergrund. Espiño informierte uns am Telefon über die neuesten Entwicklungen in Buenos Aires: Präsident Levingston war gestürzt, und Lanusse hatte die Macht übernommen. Der subversive Kampf gegen das Regime nahm zu.
    Nach und nach vergaßen die Zeitungen den Fall, weil er durch aktuelle Ereignisse verdrängt wurde. Niemand hat je nach dem Verbleib von Sandra und Carla Forrester gefragt.
    Espiño fand über ein paar Freunde mit engen Kontakten zur Polizei heraus, dass die Akten von Antelo und Gutiérrez verschwunden waren. Über die anderen Polizisten konnten wir nichts in Erfahrung bringen, weil wir ihre Namen nicht wussten.
    Als ich nach Buenos Aires zurückkehrte, war ich noch ein paar Wochen unruhig, bis mir klar wurde, dass das Säuberungskommando ganze Arbeit geleistet hatte. Ich ermittelte noch ein wenig weiter, ohne groß Staub aufzuwirbeln. So viel Stillschweigen war mir suspekt, und ich versuchte herauszufinden, ob sich die parapolizeilichen Kräfte reorganisiert oder aufgelöst hatten. Da sich weiter nichts tat, konnte ich davon ausgehen, dass das Projekt gescheitert war.
    Mit der Zeit begriff ich, dass es zwei Argentinien gab: das öffentliche, wie es sich in den Medien präsentierte, und das private, wie es sich im realen Leben zeigte. Das sah man ja an mir: Ich hatte sieben Polizisten und zwei Unteroffiziere des Heeres getötet und spazierte unbehelligt durch die Straßen der Stadt. Es gab keine Nachrichten, keine Leichen, keine aufbegehrenden Familienangehörigen. Eines Nachmittags raffte ich mich auf und ging zum Grab von Kommissar Juan Ángel Gutiérrez auf dem Friedhof der Bundespolizei. Die Inschrift auf dem Stein lautete: »Gefallen in Erfüllung seiner Pflicht. 12. April 1921 – 8. Juli 1970«.
    Vor ein paar Tagen traf ich Susana Tudor auf der Straße. Wir sahen uns kurz an, grüßten uns
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