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Fächergrün

Fächergrün

Titel: Fächergrün
Autoren: B Leix
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vergangener Jahrzehnte aus.
    »Chef?« Sternbergs Stimme tönte von unten. »Sind Sie da oben?«
    Lindt ging schnell zur Treppe zurück, bückte sich und spähte durch das Geländer hinunter. »Was gibt’s?«
    »Die Nichte, Chef, sie ist hier.«
    »Wer?«
    Eine Frau drängte sich an Sternberg vorbei und setzte ihren Fuß auf die unterste Stufe. Der Kommissar hob abwehrend die Hände: »Bitte, bemühen Sie sich nicht. Ich komme hinunter.«
    Sie kam ihm trotzdem zwei Stufen entgegen und streckte die Hand aus: »Eva Neudorff, ich bin die einzige Verwandte.«
    »Meine Anteilnahme.« Lindt maß sie mit einem prüfenden Blick. Er schätzte sie auf Mitte 50, registrierte ein elegantes, hochgeschlossenes ärmelloses Sommerkleid, wadenlang, aus grober, dunkelgrüner Wildseide, passend dazu der Nagellack im selben Ton. Die unzähligen Sommersprossen auf Hand und Armen, die sie im Gesicht unter einem stark tönenden Make-up verdeckte, verrieten den eigentlich hellen Typ. Lindt bemerkte eine randlose Brille vor auffällig grünen Augen, lange, schwarz gefärbte, zusammengebundene Haare. Vermutlich hasste sie deren ursprünglich rote Farbe. Er gab viel auf den ersten Eindruck.
    »Die Mieterin aus dem Dritten hatte Ihre Adresse«, erklärte Jan, »und da hab ich die Kollegen in Heidelberg gebeten, die Todesnachricht zu überbringen.«
    »Wissen Sie schon, wer es war?«
    Der Kommissar schickte einen kritischen Blick zu Jan Sternberg. »Hast du … ?«
    Schuldbewusst senkte er den Kopf: »Ich weiß, Chef, Sie wollen immer zuerst selbst …«
    »Besprechen wir später«, fiel ihm Lindt ins Wort und ärgerte sich.
    Bei wichtigen Zeugen legte er Wert darauf, die ersten Reaktionen genauestens zu beobachten.
    »Ich … ich dachte«, stammelte Sternberg, doch der Kommissar machte eine Handbewegung, die ihn verstummen ließ.
    »Später, hab ich gesagt, und nicht hier.«
    Er drängte die Frau mit seiner massigen Gestalt unmissverständlich die Treppe hinunter: »Bitte, draußen können wir uns setzen.«
    Dann wandte er sich zu Jan: »War die KTU auch schon dort unten?« Lindts Hand zeigte auf eine verschlossene Stahltür, hinter der vermutlich die Kellertreppe begann.
    »Wird erledigt.« Sternberg machte, dass er fortkam. Es passierte nicht oft, dass sein Vorgesetzter einen strengen Ton anschlug, doch wenn er es tat, war es besser, ihm eine Weile nicht unter die Augen zu treten.
    Lindt ging voran, bot der Frau einen der Maiwaldstühle an und ließ sich selbst in den zweiten sinken. Kurz kniff er die Augen zusammen. Kannte er sie von früher?
    »Wie eng war der Kontakt?«
    »Zu meinen beiden Onkel? Warum fragen Sie?«
    »Das haben Sie ganz richtig bemerkt, Frau Neudorff, ich frage!«
    Ein Anflug von Röte färbte ihre Wangen. »Meine verstorbene Mutter war die einzige Schwester der beiden.«
    »Und?«
    »Was – und?«
    »Der Kontakt? Wie oft haben Sie die Maiwalds gesehen?«
    »Ja, wenn Sie so direkt fragen.«
    »Immer.«
    »Was immer?«
    »Immer direkt.«
    Eva Neudorff holte tief Luft. »Immer zu Neujahr habe ich sie besucht. Öfter konnte ich das nicht aushalten.«
    »Was?«
    »Na, wie sie waren, so, so …«
    »Wie denn nun?«
    »Sparsam, knickerig, knauserig, kleinlich, geizig!« Mit funkelnden Augen spie sie die Worte hinaus.
    »Keine Geschenke? Weihnachten, Ostern, Geburtstag?«
    »Pah, Geschenke. Kaum, dass sie mir beim Besuch was zu trinken angeboten haben. Als Kind bekam ich zwei Mark, wenn ich mit meiner Mutter hier war. Von jedem Onkel eine.«
    »Vor 30 Jahren war das schon noch was.«
    »Meine Kinderzeit liegt leider etwas weiter zurück.« Sie schaute ihm direkt ins Gesicht. »Wir beide haben es wohl nicht mehr allzu weit bis zur Pension.«
    »Sie sind auch Beamtin?«
    »Lehrerin, Oberstudienrätin am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium in Heidelberg, Mathematik, Biologie und manchmal auch Chemie, seit 28 Jahren, wenn Sie es genau wissen wollen.«
    »Immer!«
    »Wie immer?«
    »Ich möchte immer alles ganz genau wissen. Mein Beruf eben, so wie Ihrer. Sie wollen von den Schülern doch auch exakte Antworten.«
    Entrüstet blickte sie den Kommissar an: »Was soll das werden? Ein Verhör? Halten Sie mich etwa für verdächtig?«
    »Hätte ich denn einen Grund dafür?«
    »Weil ich die Erbin bin?«
    »Sie kennen das Testament?«
    »Es gibt keine weiteren Verwandten, und für die Kirche oder den Tierschutzverein hatten die beiden Alten garantiert nichts übrig.«
    Lindt glaubte ihr aufs Wort. »Wie hoch ist das
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