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Fächergrün

Fächergrün

Titel: Fächergrün
Autoren: B Leix
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höchsten Berg im Nordschwarzwald. Frische Waldluft, halb Baden zu Füßen, Aussicht bis nach Karlsruhe, wohin denn sonst? Wirklich noch fit, die Achtzigjährigen. Halt, Anton war erst 78. Er hob das Glas: »Auf unsere Feiertage.« Sie tranken aus und starben.
     
    Sie starben gemeinsam, so, wie sie ihr ganzes Leben verbracht hatten. Kein schöner Tod, doch unausweichlich.
    Sie starben nicht sofort, es dauerte seine Zeit, aber eine halbe Stunde, nachdem sie die Flasche mit dem herben Franzosen geleert hatten, spürten sie eine leichte Übelkeit. Beide – gleichzeitig. Anton befühlte seinen Bauch. »Komisch, mir wird’s grad so …«
    »Dir auch? Ob der Hirschbraten heut Mittag …?«
    »Vielleicht ein ziemlich alter Hirsch, schon etwas angegammelt?«
    »So fühl ich mich auch grad, richtig verg…« Weiter kam Josef nicht, er schlug sich die Hand vor den Mund, schoss in die Höhe, warf dabei den Stuhl um, torkelte ein paar Schritte vorwärts und übergab sich lautstark in den Hofgully.
    »Schad um den Hirsch«, kommentierte sein Bruder, doch noch ehe Josef den Wasserschlauch aufgedreht hatte, um sein Erbrochenes wegzuspülen, tat Anton es ihm gleich.
    »… und um die Spätzle«, wischte sich Josef mit dem Taschentuch über den Mund. »Geht’s wieder?«
    Anton schüttelte den Kopf und schickte die nächste Ladung in den Ablauf. Aus dem dritten Stock wurden sie beobachtet.
    Josef richtete mühsam den Wasserstrahl auf den Eisenrost, dann keuchte er: »Ich muss rein, dringend!«, und hielt sich den Bauch.
    Auch Anton fühlte aufs Mal ein gewaltiges Rumoren in seinem Unterleib. Unscharf sah er den Bruder die Eingangstreppe nach oben schwanken, danach konnte auch er es nicht mehr aushalten – nicht mehr halten. Er drehte sich um, wollte losrennen, stolperte fast, erreichte in letzter Sekunde die Toilette im Schuppen, verhakte sich mit den Hosenträgern, riss die Hose nach unten, doch zu spät. Er verfehlte die Schüssel um einen ganzen Meter. Er fiel auf die Knie, übergab sich ein drittes Mal und kippte ohnmächtig zur Seite.
    Seinen Bruder fand man neben der Toilette liegend, steif und kalt, zusammengekrümmt in Exkrementen und Erbrochenem, aschfahl, ohne Puls und Atmung, viele Stunden später, es wurde bereits wieder hell … der Notarzt verzichtete auf eine Wiederbelebung.

2
    »Verdammte Sch…!«, entfuhr es Jan Sternberg, der als Erster des Karlsruher Kripo-Teams eintraf. Entsetzt ließ er seinen schweren Alukoffer fallen, trat zwei Schritte zurück und blieb schreckensstarr stehen. Nur mühsam konnte er den Würgereiz unterdrücken.
    »Wo ist der Bruder?«, presste Hauptkommissar Oskar Lindt hervor, der nur eine halbe Sekunde brauchte, um die Situation zu erfassen.
    Sternberg schaute ihn verständnislos an. »Noch einer? Wieso?«
    Lindt zeigte durch das sperrangelweit geöffnete Fenster zur anderen Straßenseite. »Über 20 Jahre haben wir da drüben gewohnt. Auch ein Haus der Gebrüder Maiwald. Die waren immer zusammen.«
    »Beim Sterben anscheinend nicht«, kommentierte Paul Wellmann, der Dritte im Bunde, nachdem auch er einen flüchtigen Blick auf den Toten geworfen hatte.
    »Hier drin ist keiner mehr«, antwortete einer der Sanitäter.
    »Absuchen!«, kommandierte Lindt. »Die haben alles gemeinsam gemacht. Der andere muss irgendwo sein.«
    »Flüchtig?«
    »Quatsch, der würde seinen Bruder nie alleine lassen.«
    »Außer, er hat ihn …«
    »Jan, geh suchen!«, herrschte ihn sein Chef an. »Ich kenne die beiden.«
    »Wer hat Sie alarmiert?«, wandte sich der Kommissar an den Notarzt.
    »Keine Ahnung, wir müssen die Leitstelle fragen«, antwortete einer der Sanitäter und hatte bereits das Handy am Ohr.
    »Oskar!«, schallte Paul Wellmanns Stimme über den Hof. Der Tonfall verhieß nichts Gutes. Lindt verstand sofort und stürmte nach draußen.
    »Hier«, tönte es vom Lagerschuppen her. Wellmann und Sternberg traten kreidebleich aus der Tür.
    Lindt musste sich an der Wand festhalten. Er begann, am ganzen Körper zu zittern. Dasselbe grässliche Bild. Anton im Schuppen, Josef im Haus.
    Er wankte aus der Tür. Seine Kollegen saßen schon am Tisch neben dem alten Laster. Für Lindt blieb die Bank. »War immer der Besucherplatz«, sagte er mühsam.
    »Spusi kommt, Chef.« Jan Sternberg hatte trotz des schrecklichen Anblicks nicht vergessen, was zu tun war.
    Der Kommissar sank stumm in sich zusammen. Schlimm, wenn er die Leute kannte.
    Der Sanitäter blieb drei Schritte entfernt stehen. »Sie haben
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