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Fächergrün

Fächergrün

Titel: Fächergrün
Autoren: B Leix
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an, schließlich gab sie ihm das Telefon.
    Lindt tippte die Durchwahl des Kriminaldauerdienstes ein: »Eine Festnahme, ja, in der Waldstadt, bei mir zu Hause. Ich hab grad keinen Wagen …«
     
    Auch mehr als 50 Kilometer nördlich von Karlsruhe war die Wochenendbereitschaft der Kriminalpolizei im Einsatz. Im Heidelberger Stadtteil Emmertsgrund hatten sich mehrere Bewohner eines heruntergekommenen Hochhauses über den stechenden Geruch beschwert, der seit zwei Tagen aus einer der Wohnungen gedrungen war.
    Die Besatzung eines Streifenwagens forderte den Schlüsseldienst an, der einige Zeit brauchte, um zu öffnen. Die Tür war verriegelt und zudem steckte der Schlüssel von innen im Schloss.
    Die beiden Beamten pressten sich Papiertaschentücher vors Gesicht und betraten Schritt für Schritt das völlig abgedunkelte Einzimmerapartment. Der Druck auf den Lichtschalter war erfolglos, also tasteten sie sich im Schein ihrer Taschenlampen hinein. Eine übelriechende Spur von Erbrochenem zog sich von einer total zerwühlten Schlafcouch zur fast geschlossenen Badezimmertür. Einer der Polizisten drückte dagegen. Eine Handbreit gab die Tür noch nach, bevor sie gegen ein Hindernis stieß. Der Kopf des Beamten passte knapp durch den Spalt.
    Mit kalkweißem Gesicht taumelte er zurück und verließ fluchtartig die Wohnung.
    Genauso erging es dem kurze Zeit später eintreffenden Notarzt. Von der Streifenwagenbesatzung vorgewarnt, nahm er eine Verbandskompresse aus dem Notfallkoffer, hielt sie sich vors Gesicht und riskierte einen Blick. Auch er stürzte wieder aus der Wohnung, holte an dem geöffneten Flurfenster ein paar Mal tief Luft und stieß »Nichts mehr zu machen« hervor. »Schon seit Tagen tot, eindeutig.«
    Zwei hartgesottene Beamte der Kriminaltechnik waren es schließlich, die, in Ganzkörperschutzanzüge gehüllt, die Rollläden hochzogen, die Fenster aufrissen, die Badezimmertür aushängten und die dahinter zusammengekrümmt am Boden liegende Frau betrachteten.
    Trotz Atemschutzmasken konnten sie es in der Wohnung nur kurze Zeit aushalten.
    Das Nachthemd bis zum Bauch hochgeschoben, bot der bereits mit deutlichen Verwesungszeichen versehene Körper einen schockierenden Anblick. Auch Boden, Toilette und die unteren Bereiche von Dusche und Wänden waren voller Exkremente und Erbrochenem.
    Die beiden Kripo-Mitarbeiter verließen die Wohnung wieder, um Spurensicherung und Gerichtsmedizin anzufordern.
    ›Fremdeinwirkung ausgeschlossen‹ stand später in deren Bericht. ›Die aufgefundene Person konnte als die alleinlebende Wohnungsinhaberin Eva Neudorff identifiziert werden. Es ist davon auszugehen, dass Neudorff in suizidaler Absicht eine größere Menge von Rotwein zu sich genommen hat, der mit dem pflanzlichen Gift Taxin versehen war.‹
    Auf dem Boden wurde eine beinahe völlig geleerte Weinflasche französischer Herkunft vorgefunden, in der Küchenspüle ein Mörsergefäß mit Resten zerdrückter Nadeln von Taxus baccata, der gemeinen Eibe. Daneben stand ein Becherglas mit einer geringen Menge hochprozentigen Alkohols, in dem das Gift aus den Pflanzenteilen gelöst worden war. Ein Haarsieb mit mehreren Handvoll der ausgelaugten Nadeln hing schräg darüber.
    Auf dem Esstisch lag ein Blatt Papier, beschrieben mit einem einzigen Wort: ›Hoffnungslos!‹
    Die Ärztin der Gerichtsmedizin stellte als Erste den Zusammenhang her: »Da war doch vor Kurzem in Karlsruhe ein ganz ähnlicher Fall.«
     
    Als Oskar Lindt am Montagmorgen seine E-Mails sichtete, stieß er einen Schrei aus: »Paul, Jan, zu mir, schnell!«
    Fassungslos lasen die drei die Mitteilung aus Heidelberg; einmal, zweimal, dreimal.
    Dann nahm der Leiter der Mordkommission einen dicken Filzstift und ein weißes Blatt, beschriftete es diagonal mit vier Worten und heftete es vorne auf die Ermittlungsakte im Mordfall der Brüder Anton und Josef Maiwald: ›GRÜN IST DIE GIER!‹
     
    Ende
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