Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fächergrün

Fächergrün

Titel: Fächergrün
Autoren: B Leix
Vom Netzwerk:
Apparat: »Staatsanwaltschaft, Haftprüfung.«
    Lindt schloss die Augen. Jetzt würde die Prophezeiung seiner Frau sich bewahrheiten.
    »Gerade noch mal gut gegangen«, meinte der Staatsanwalt, der an diesem Wochenende Bereitschaftsdienst hatte. »Hoffentlich finden Sie etwas mehr, was ihn belasten könnte. Der Richter war kurz davor, diesen Kerl gehen zu lassen. Es hat eine ganze Stunde gedauert, bis ich ihn so weit hatte, U-Haft anzuordnen. Zum Glück war Gallos Anwalt eine echte Pfeife. Aber zum Prozess werden die sicherlich einen Besseren schicken. Also bitte, Herr Lindt, suchen Sie weiter!«
    Das weitere Wochenende verlebte der Kommissar in Trance. Von Leben konnte man gar nicht sprechen. Er vegetierte eher dahin und ließ die Stunden vorbeiziehen. Weder am Samstag noch am Sonntag rührte er eine seiner vielen Pfeifen an – Carla wusste es, ein schlechtes, ein sehr schlechtes Zeichen. »Suchen Sie, Herr Lindt, suchen Sie«, äffte der Kommissar die Stimme des Staatsanwalts nach.
    Die Aufmunterungsversuche seiner Frau blieben vergebens. »Zu allem Unglück auch noch das Auto«, war alles, war Oskar antwortete, wenn sie ihn ansprach.
    Am Sonntag gegen vier Uhr nachmittags stellte sie ihm ein Ultimatum: »Jetzt reicht’s echt. Deine schlechte Laune kannst du morgen im Präsidium wieder verbreiten. Ab unter die Dusche. Um fünf gehen wir was essen!«
    Obwohl er auf dieses verheißungsvolle Wort normalerweise sofort reagierte, blieb er zunächst apathisch sitzen. Dann zwang er sich in die Höhe. Ein drohend-aufmunternder Blick von Carla hatte ihm signalisiert, wie ernst sie es meinte. Schlurfend schleppte er sich vorwärts und kletterte in die Dusche.
     
    Die Türklingel hörte er wegen des Wasserrauschens nicht. Umso größer war der Schock, als er – nur mit Bademantel und Schlappen bekleidet – aus dem Bad kam und den Mann in der Küche bei seiner Frau sitzen sah. Breite Schultern, braune Augen, gedrungene Statur, dichtes graues Haar, das einstmals schwarz gewesen war, Hände wie kleine Schaufeln.
    Auch Carla musste ihn sofort erkannt haben, sonst hätte sie ihn nicht eingelassen.
    »Was?«, stammelte Lindt, sie ließ ihn jedoch nicht ausreden. »Zieh dir endlich was an, Oskar. Herr Gallo möchte mit dir sprechen. Dringend!«
    Als der Kommissar wieder aus dem Schlafzimmer kam, eiligst in Hemd, Hose und Socken gefahren, setzte Vittorio Gallo die Kaffeetasse ab, erhob sich und streckte die Hand aus. »Sie kennen mich sicher noch.«
    »Sie sind …«, sagte Lindt und ließ sich neben ihm am Küchentisch nieder.
    »Wieder da«, antwortete Gallo. »Extra gekommen, weil Sie meinen Fabio eingesperrt haben. Er hat nichts damit zu tun, gar nichts.« Daraufhin griff er in seine Jacke, zog eine abgewetzte lederne Brieftasche heraus und entnahm ihr ein Foto und ein Stück Papier. »Bitte, lassen Sie das prüfen.« Er schob die Blätter über den Tisch.
    Lindt fasste das schwer zu entziffernde Schreiben vorsichtig mit zwei Fingern. »Italienisch, von Hand beschrieben, damit kann ich leider nichts …«
    »Natürlich nicht. Lassen Sie mich übersetzen. Dieser Mann ist tot.« Gallo pochte auf das Bild. »Seit fast sechs Jahren.« Dann tippte er sich an die Schläfe: »Da drin ist es gewachsen und als sie ihm in Napoli ein Auge rausmachen mussten, hat er gewusst, dass es nicht mehr lange geht.«
    »Tumor?«, fragte der Kommissar.
    Vittorio Gallo nickte. »Er ist zu mir gekommen, weil wir immer miteinander …« Es schien, als suchte er die richtigen Worte.
    Lindt begann, die Wahrheit zu ahnen: »Miteinander gearbeitet haben?«
    »Si, so könnte man es sagen. Er hat das da vor seinem Tod noch geschrieben.«
    »Ein Geständnis?«
    »Wegen seinem Gewissen. Sie können es übersetzen lassen in Ihrem Polizeiamt, aber ich sage Ihnen trotzdem gleich, was da steht.«
    Der Kommissar unterbrach ihn: »Er hat geschossen und Sie haben begraben!«
    Der Italiener nickte wieder, langte erneut in seine Jacke und zog – Lindt erbleichte – eine schwarz glänzende Beretta hervor. »Nicht geladen.« Er schob sie über den Tisch. Sein Gegenüber fasste die Waffe nicht an, sondern starrte wie hypnotisiert darauf.
    Carla bewies mehr Geistesgegenwart, riss schnell zwei Blatt Küchenrolle ab und griff sich damit die Pistole.
    »Seine Fingerabdrücke sind drauf. Meine auch, aber ich habe nicht geschossen, immer nur gewartet und aufgeräumt.«
    »Alle 14?«
    »Alle. Wenn er einen Auftrag bekam, ist er immer extra aus unserem Dorf angereist.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher