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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes
Autoren: Andreas Pittler
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furchtbar dilettantisch g’macht“, fuhr Strakosch fort, während er mit seinem Zeigefinger auf den Hals des Opfers wies, „der Täter – oder eben die Täterin – hat das Tatwerkzeug einfach an der Haut angesetzt und ist dann damit von links nach rechts gefahren. Das hat sicher noch einmal viel Blut gegeben, aber die Luftröhre ist nicht einmal verletzt worden dabei. A unsinnige G’schicht’, wie g’sagt.“
    Bronsteins Blick war nun wieder auf Strakosch gerichtet: „Darf ich jetzt nach der Tatwaffe fragen?“
    „Ja, jetzt darfst.“
    „Was kommt als Tatwaffe in Frage?“
    Strakosch ließ seinen Kopf zweifelnd hin- und herpendeln. „Ich würde sagen, am ehesten ein klassisches Küchenmesser. Den Verletzungen nach zu schließen hatte die Klinge mindestensfünfzehn Zentimeter. Auch die Länge der Schnitte tät dann passen. Es könnte aber auch ein Bajonett g’wesen sein, so wie wir’s im Krieg gehabt haben. Unter Umständen vielleicht auch ein Jagdmesser, vielleicht sogar ein Hirschfänger, obwohl, das glaub ich eher nicht. Aber ich bin mir sicher, dass es ein Messer war. Alles andere wäre nicht praktikabel. Auch das Bajonett nicht. Wie willst denn das halten?“
    Bronstein nickte. „Gibt’s sonst noch was, was für uns von Relevanz ist?“
    „Na ja, kommt drauf an. Aber unser Opfer da hat kurz vor seinem plötzlichen und wohl unerwarteten Abtreten noch freudige Erwartungen gehegt.“
    „Der Mann war schwanger?“ Bronstein grinste breit, während Strakosch nur eine mitleidige Grimasse schnitt.
    „Er war in höchstem Maß erregt, als ihn der erste Stoß traf.“
    „Woher wissen wir das?“ Nun grinste Strakosch.
    „Einen mordstrum Steifen hat er g’habt“, verfiel Strakosch ins proletarische Idiom, „kurz vorm Kommen war er, bevor er gehen musste. Sowohl am Oberschenkel als auch in der Vorhaut fanden sich Spuren von Samenflüssigkeit, aber noch kein Sperma. Es ist ihm grad einer abgegangen, als er abgegangen ist.“
    „Na, was du nicht sagst. Ein Mord aus Leidenschaft?“
    „Mir is des wurscht. Ob den ein Bordsteinschwalberl g’macht hat, weil er eine andere Vorstellung von Zweisamkeit hatte als sie, ob ihn ein warmer Bruder kaltg’macht hat oder ob er wegen irgendetwas anderem so aufg’regt worden ist, das musst du herausfinden. Ich hab dir alles g’sagt, was von unserer Seite aus relevant erscheint. Alles andere ist deine Sache, ich bin eigentlich schon gar nicht mehr im Dienst. Ich fahr jetzt den Abruzzen entgegen.“
    Bronstein reagierte mit einem Pfiff durch die Zähne. „Na, du traust dich was. Ich kenn nur die Kuruzzen, und die sind kein Honigschlecken.“
    „Halb so wild. Die Abruzzen sind friedliebend.“
    „Na dann.“
    „Eben.“ Strakosch klopfte Bronstein aufmunternd auf die Schulter. „Alsdern, Waidmanns Heil. Ich schreib dir a Postkarten.“
    Strakosch wandte sich zum Gehen. In der Tür hielt er noch einmal kurz an: „Wennst noch was brauchst, ruf mich an. Aber mir wär lieber, du brauchst nix mehr.“
    „Ist schon recht“, winkte Bronstein ab, „servus.“
    „Servus.“
    Bronstein blieb noch eine kleine Weile neben der Leiche stehen. „Wer hat dich so zugerichtet? Vor allem, was hast du ihm angetan, dass er so außer sich geraten ist?“ Und unwillkürlich kehrten seine Gedanken an den Abend vor zwei Tagen zurück.
    Es war gegen 20 Uhr gewesen. Er hatte das Bezirkskommissariat Innere Stadt schon längst verlassen und saß nun im Silberwirt in der Schloßgasse, keine hundert Meter von seiner Wohnung im letzten Stockwerk des Hauses Nummer 7 entfernt. Mit sich und der Welt zufrieden – kein Wunder, der Schweinsbraten war ja wieder einmal wirklich hervorragend gewesen, dazu das saftige Sauerkraut und die schmackhaften Semmelknödel – gönnte er sich ein zweites Malzbier und sah den Arbeitern der Fabrik „Bothe & Ehrmann“ zu, die sich den Feierabend mit einer Partie Preference verkürzten. Dieses Spiel sagte ihm selbst wesentlich mehr zu als Tarockieren, und so konnte er auf den ersten Blick erkennen, dass der großgewachsene Jüngling mit seinem Bettler niemals durchkommen würde. Eine viel zu riskante Ansage. Ihm fehlten in den Karo der Siebener und der Achter, und wenn die beiden getrennt waren – und das waren sie – und seine Gegenspieler nicht geistig vollkommen derangiert agierten, dann war spätestens an dieser StelleEndstation. Bronstein ertappte sich dabei, dass er gerne mitgespielt hätte, doch wahrscheinlich war er hier zu bekannt, um sich an
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