Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes
Autoren: Andreas Pittler
Vom Netzwerk:
Wunden nach zu schließen ist er eher verblutet als wirklich an den Einstichen gestorben. Aber weißt eh, das sind alles Vermutungen prima vista. Mehr kann ich dir erst sagen, wenn ich ihn auseinanderg’nommen hab. Brauchst mich noch?“ Bronsteinschüttelte den Kopf, und so schnell, wie Strakosch auf der Szene erschienen war, so schnell verschwand er auch wieder. „Tatwaffe hamma ja keine“, sagte Bronstein mit einem Anflug von Resignation in der Stimme. Er erntete allgemeine Verneinung. „Na ja“, seufzte er, „das wäre ja auch zu viel verlangt gewesen.“
    „Wer braucht denn schon eine Tatwaffe?“, rief sich Pokorny in Bronsteins Gedächtnis zurück. „Im Fall Haumer haben wir anno 1900 auch keine Tatwaffe gehabt, und wir haben den Fall doch gelöst. Und weißt wie?“
    „Ja, mit einer Falle, die ihr dem Täter gestellt habt.“
    Pokorny war enttäuscht: „Woher weißt denn jetzt des?“
    „Weilst mir die Geschichte schon einmal erzählt hast.“
    „Echt? Wann?“
    „Zuletzt vor zehn Tagen. Und davor beim Grinzinger. Und davor zu Weihnachten voriges Jahr. Und davor …“
    „Ist ja schon gut.“ Pokorny war sichtlich unangenehm berührt. „Habt’s schon alle Spuren gesichert?“, wandte er sich an die Uniformierten, um von seinem Lapsus abzulenken. Die Beamten nickten eifrig.
    „Wem gehört der Laden eigentlich? Dem Guschlbauer?“, fragte Bronstein.
    „Ja, er war der Ladeninhaber. Er hat auch eine Einzimmerwohnung oberhalb des Geschäfts zur Miete gehabt. Aber wir glauben, das war eher eine Art Aufenthaltsraum für die Mittagspause als die wirkliche Wohnung.“
    „Das würde ich auch sagen“, stimmte Bronstein zu. „Wissen wir, ob er verheiratet war, Kinder hatte et cetera, et cetera?“
    „Noch nicht. Aber wenn, dann hat er seine Familie nicht sonderlich liebgehabt. Es gibt in seinen Sachen kein einziges Foto.“
    „Gut“, erklärte Bronstein aufgeräumt, „das werden wir hier ohnehin nicht mehr klären. Ich denke, damit sind wir hier fertig. Ihr schaut noch einmal nach, ob es irgendwo Fingerabdrückeoder dergleichen gibt, alles Weitere dann morgen auf dem Revier. Meine Herren, gute Nacht.“
    „Soll ich dich wieder heimfahren?“, fragte Pokorny, doch Bronstein winkte ab. Er wollte sich nicht noch einmal alte Geschichten anhören. „Nein, nein, ich gehe lieber zu Fuß. Der Spaziergang wird mir guttun und dafür sorgen, dass ich heute Nacht gut schlafe.“ Ehe Pokorny etwas erwidern konnte, hatte sich Bronstein schon über die Stadiongasse Richtung Zweierlinie entfernt.
    Allmählich senkte sich die Dämmerung vollends über die Stadt, und der Verkehr kam auch in den großen Straßen zur Ruhe. Als Bronstein knapp vor 21 Uhr am Bürgerkino vorbeikam, hatte dort die letzte Vorstellung schon begonnen. Doch Bronstein war ohnehin nicht nach laufenden Bildern. Er ging noch die paar Meter bis zur Schloßgasse, bog dann nach links, ließ den Silberwirt rechts liegen und marschierte die letzten hundert Meter in flottem Tempo zu seinem Wohnhaus.
    An all das erinnerte er sich nun, während er neben der malträtierten Leiche stand, deren Ableben ihm Strakosch eben so wortreich examiniert hatte.
    Damals war ihm über Guschlbauer praktisch noch gar nichts bekannt gewesen. Erst am folgenden Tag, also am 6., hatte das Kommissariat die einzelnen Fakten über Guschlbauer sorgsam zusammengetragen.
    Oskar Guschlbauer war 1880 auf der Wieden zur Welt gekommen und hatte dort auch die Schule besucht. 1895 war er als Lagerarbeiter beim „Feinkost Wawra“ in die Lehre gekommen, später hatte er bei einem Fleischhauer in der Paniglgasse gearbeitet. 1914 bis 1918 war er als Gulaschkanonier im Feld gewesen und hatte für die Menage seiner Truppe gesorgt. Orden und Auszeichnungen schien er jedoch keine erhaltenzu haben. Nach Kriegsende hatte er wieder als Fleischer gearbeitet, ehe er in der Inflationszeit die Greißlerei in der Bartensteingasse erworben hatte, die er nun einige Jahre betrieben hatte. Bronstein kam dies ein wenig verdächtig vor, denn als Geselle kam man selbst in wirtschaftlich turbulenten Zeiten nicht zu jenem Vermögen, das man benötigte, um ein Geschäft in der Innenstadt zu erwerben. Dieser Transaktion würde man gegebenenfalls nachgehen müssen, dachte er sich und machte sich eine entsprechende Notiz. Vor zweieinhalb Jahren, genau genommen im Dezember 1924, hatte Guschlbauer dann die Einzimmerwohnung direkt über dem Geschäft gemietet und sich dort im Jänner 1925 auch behördlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher