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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah
Autoren: Jonathan Safran Foer
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wissen, wie Sie heißen«, sag te Oma von hinten. Er gab mir seine Karte.
    GERALD THOMPSON
Sunshine Limousine
In allen fünf Bezirken
(212) 570–7249
    Ich gab ihm meine Karte und sagte: »Sei. Gegrüßt. Gerald. Ich. Bin. Oskar.« Er fragte mich, warum ich so rede. Ich erwiderte: »Oskars CPU ist ein Neural Net Processor. Ein lernfähiger Computer. Je mehr Kontakt er mit Menschen hat, desto mehr lernt er.« Gerald sagte: »O«, und dann sagte er: »K.« Weil ich nicht genau wusste, ob er mich mochte, sagte ich: »Ihre Son nenbrille ist große Klasse.« Er sagte: »Zweite Wahl, glaube ich.« »Kennen Sie viele Schimpfwörter?« »Ein paar schon.« »Ich darf keine Schimpfwörter benutzen.« »Ist ja die Härte.« »Was bedeu tet ›Ist ja die Härte‹?« »Nichts Gutes.« »Kennen Sie ›Scheiße‹?« »Auch ein Schimpfwort, oder?« »Nicht, wenn Sie stattdessen ›Scheibenkleister‹ sagen.« »Dann wohl nicht.« »Schleckopeck mich doch am Balzacarsch, du Scheibenkleister.« Gerald schüt telte den Kopf und lachte, aber nicht auf die fiese Art, das heißt, er lachte mich nicht aus.»Ich darf nicht einmal ›Muschi‹ sagen«, erzählte ich ihm,»es sei denn, ich meine meine Katze. Sie haben coole Autohandschuhe.« »Danke.« Dann fiel mir etwas ein, und ich musste es sofort loswerden: »Wenn Limousinen superlang wären, bräuchten sie überhaupt keinen Fahrer. Man könnte einfach hinten einsteigen, durch die Limousine gehen und vor ne aussteigen, und dann wäre man am Ziel. Was in diesem Fall heißen würde, dass der Fahrersitz auf dem Friedhof wäre.« »Und ich jetzt das Spiel gucken könnte.« Ich klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Wenn Sie im Wörterbuch ›urkomisch‹ nachschlagen, finden Sie da ein Bild von sich.«
    Auf der Rückbank hielt Mom etwas in ihrer Handtasche fest. An ihren Armmuskeln konnte ich sehen, dass sie fest drückte. Großmutter strickte weiße Fäustlinge, und ich wuss te, die waren für mich, obwohl es draußen noch nicht kalt war. Ich hätte Mom gern gefragt, was sie so festhielt und warum sie es versteckte. Ich weiß noch, dass ich dachte: »Diese Fäustlinge ziehe ich nie an, nie im Leben, selbst wenn ich an Unterküh lung leide.«
    »Da fällt mir noch was ein«, sagte ich zu Gerald,»man könn te ja auch eine unglaublich lange Limousine bauen, mit dem Rücksitz in der Scheide Ihrer Mutter und mit dem Vordersitz in Ihrem Mausoleum, dann wäre sie so lang wie Ihr Leben.« Gerald sagte: »Klar, aber wenn alle so lebten, würden sich die Menschen nie begegnen, oder?« Ich sagte: »Echt?«
    Mom drückte ihre Handtasche, und Oma strickte, und ich sagte zu Gerald: »Ich habe mal ein französisches Huhn in den Bauch getreten.« Ich wollte ihn zum Lachen bringen, weil meine Bleifüße dann ein bisschen leichter geworden wären. Er erwiderte nichts, wahrscheinlich hatte er mich nicht gehört, also wiederholte ich: »Ich habe gerade gesagt, dass ich mal ein französisches Huhn in den Bauch getreten habe.« »Häh?« »Es hat › œuf ‹ gesagt.« »Was soll das sein?« »Ein Witz. Möchten Sie noch einen hören, oder haben Sie schon un œuf gehabt?« Er sah im Rückspiegel Oma an und fragte: »Was meint er damit?« Sie sagte: »Sein Großvater hat die Tiere mehr geliebt als die Men schen.« Ich sagte: »Kapiert? Œuf ?«
    Ich kroch wieder nach hinten, weil es gefährlich ist, mit dem Fahrer zu sprechen, besonders auf dem Highway, und auf dem fuhren wir gerade. Oma fing wieder an, mich zu betat schen, und das nervte mich, obwohl ich eigentlich Geduld mit ihr haben wollte. Mom sagte: »Mein Schatz«, und ich sagte: » Oui «, und sie sagte: »Hast du dem Postboten einen Schlüssel für unsere Wohnung gegeben?« Diese Frage fand ich krass, denn sie war völlig aus der Luft gegriffen, aber wahrscheinlich suchte Mom nach etwas, das vom eigentlichen Thema ablenkte. Ich sagte: »Die Person, die die Post austrägt, ist eine Postbo t in .« Sie nickte vage in meine Richtung und fragte mich, ob ich der Postbotin einen Schlüssel gegeben habe. Ich nickte, denn bevor all die Sachen passiert sind, habe ich sie nie be logen. Es war einfach nicht nötig. »Und warum?«, fragte sie. Also erzählte ich es ihr: »Stan …« Und sie sagte: »Wer?« Und ich sagte: »Stan, der Portier. Manchmal holt er sich an der Ecke einen Kaffee, und ich wollte sichergehen, dass ich alle meine Päckchen kriege, also dachte ich, wenn Alicia …« »Wer?« »Die Postbotin. Wenn sie einen Schlüssel hätte, könnte sie
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