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Evolution

Evolution

Titel: Evolution
Autoren: authors_sort
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großen Zuckungen markierten den Untergang der Erde.
Doch auf einem neuen Planeten eines neuen Sterns war der Nebel nur
eine Lichtshow am Himmel. Was zählte, war das Hier und Jetzt,
die Meere und das Land, wo neue Ökosysteme entstanden, wo die
Lebewesen durch Veränderung ihrer Gestalt auf Veränderungen
der Umwelt reagierten und wo Variation und Selektion blindlings immer
komplexere Organismen formten.
    Das Leben war immer schon ein Glücksspiel gewesen. Und nun
hatte es Mittel und Wege gefunden, sogar dem ultimativen
Auslöschungs-Ereignis ein Schnippchen zu schlagen. In neuen
Meeren und in einem unbekannten Land hatte die Evolution wieder
begonnen.
    Aber es entstand keine neue Menschheit.
     
    Die erschöpfte und staubbedeckte Ultima, deren Körper
von unzähligen kleinen Kratzern, Prellungen und Einstichen
übersät war, humpelte mit ihrem Kind im Arm zum Zentrum des
uralten Steinbruchs.
    Das Land wirkte wie platt gehämmert, und die Sonne
dräute wie eine riesige glühende Faust über ihm. Auf
den ersten Blick gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass auf
dieser Wüsten-Welt überhaupt noch Leben existierte.
    Sie näherte sich dem Baum. Sie sah die großen
schwarzen Gebilde der eingekapselten Leute am Baum hängen. Er stand stumm und starr da; weder tadelte er sie
wegen des ›unerlaubten Entfernens‹ noch verzieh er ihr.
    Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie suchte eine Kugel aus
Blättern. Vorsichtig drückte sie die Blätter
auseinander und formte sie zu einer provisorischen Wiege. Dann legte
sie das Baby vorsichtig hinein.
    Das Baby zappelte gurgelnd. Es fühlte sich wohl hier in den
Blättern und war froh, wieder zurück im Baum zu
sein. Und Ultima sah, wie sich die Wurzel wieder in die Öffnung
im Bauch des Kindes schob. Und weiße Tentakel wuchsen aus den
Poren der weichen Blätter und strebten auf Mund, Nase, Ohren und
Augen des Babys zu.
    Es würde keinen Schmerz verspüren. Dieses Wissen und
diesen Trost hatte der Baum Ultima immerhin gewährt. Sie
strich dem Baby ein letztes Mal über die pelzige Wange. Dann
schob sie ohne Bedauern die Blätter zusammen und versiegelte
sie.
    Sie erklomm den Baum und fand ihren eigenen behaglichen
Kokon. Dann kuschelte sie sich hinein und legte ordentlich die
großen lederartigen Blätter um sich herum. Hier würde
sie auf bessere Zeiten warten: auf einen Tag, der wie ein Wunder
kühler und feuchter war als alle anderen, auf eine Zeit, wo der Baum imstande war, Ultima aus seiner schützenden Umarmung
zu entlassen und sie wieder in die Welt hinauszuschicken – und
ihr vielleicht sogar den Keim für eine neue Generation in den
Bauch zu pflanzen.
    Aber es sollte keine Befruchtung mehr geben, keine Geburt und kein
zum Tode verurteiltes Kind.
    Einer nach dem andern würden die Kokons schrumpfen und die
grün verpackten Bewohner würden wieder von der Masse des
Borametz absorbiert werden, und am Ende würde der Borametz nach
vielen tausend Jahren natürlich selbst vergehen, nachdem er bis
zum bitteren Ende durchgehalten hatte. Der leuchtende molekulare
Strang – der von Purga ausgehend über unzählige
Generationen von Lebewesen sich erstreckt hatte, die aus primitiven
Anfängen sogar den Sprung auf eine andere Welt geschafft und
dann wieder tief gestürzt waren – riss nun, als die letzte
von Purgas Enkeltöchtern mit einer Situation konfrontiert wurde,
die sie nicht zu bewältigen vermochte.
    Ultima war die letzte Mutter gewesen. Sie vermochte nicht einmal
ihr eigenes Kind zu retten. Aber sie hatte ihren Seelenfrieden
gefunden.
    Sie strich über die Bauch-Wurzel und half ihr dabei, den Weg
in ihren Bauch zu finden. Die anästhesierenden und heilenden
Chemikalien beruhigten den schmerzenden Körper und schlossen die
Blessuren. Und als psychotrophe pflanzliche Substanzen die lebendige
Erinnerung an ihr verlorenes Baby wegspülten, wurde sie mit
einem scheinbar immerwährenden grünen Frieden
erfüllt.
    Es war eigentlich kein schlechtes Ende für eine so lange
Geschichte.

 
EPILOG

     
     
    Es war wieder eine andere Bande wilder Kinder gesichtet worden,
diesmal auf der Bartholomäus-Insel. Also hatten Joan und Lucy
die Netze, Taser und Hypo-Flinten zusammengepackt und schipperten nun
in ihrem Solarboot über den Pazifik.
    Joans pockennarbige Haut leuchtete im Widerschein des
gleichmäßigen äquatorialen Sonnenlichts, das vom
Wasser reflektiert wurde. Sie war nun zweiundfünfzig, sah aber
deutlich älter aus wegen der Schäden, die die Umwelt seit
Rabaul an der Haut
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