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Evolution

Evolution

Titel: Evolution
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und zu dieser Welt verschlagen, die sie – unter anderem –
für den Ursprung hielt. Sie hatte eine Welt mit organischer
Chemie gefunden und Lebewesen, die auf ihre Art ganz interessant
waren. Aber es war eine sterbende Welt, die von ihrer Sonne
überhitzt wurde, und das Leben war auf die Ränder eines
Wüstenkontinents beschränkt. Es gab keine Anzeichen
organisierter Intelligenz.
    … Und doch schien es der Sphäre, als ob das uralte
Gestein des Superkontinents hier und da mit Einschnitten, Rinnen und
großen Löchern markiert war. Einst hatte hier Intelligenz
gewaltet – vielleicht. Wenn ja, war sie diesen räudigen,
kriechenden Kreaturen aber abhanden gekommen.
    Die Sphäre verkörperte eine neue Ordnung des Lebens. Und
zugleich war sie wie ein Kind, das seinen unbekannten Vater suchte.
Die letzten Spuren der alten Konstruktionspläne der
Mars-Roboter, die von längst toten NASA-Ingenieuren in
Computer-Labors in Kalifornien und Südengland konzipiert worden
waren und sich seitdem ständig verändert hatten, waren
verloren. Es schien angemessen, dass dieses größte und
seltsamste Vermächtnis der Menschheit rein zufällig
entstanden war – und dass ihre Urheber ihrem Schicksal gefolgt
waren.
    Es gab hier nichts mehr in Erfahrung zu bringen. Mit dem
Äquivalent eines Seufzens schwang die Sphäre sich zu den
Sternen empor. Die kleine Welt fiel hinter ihr zurück.
     
    Ultima kauerte sich im Schmutz zusammen, bis die
Aasfresser-Geschwister das Fressen beendet hatten. Dann drückte
sie ihr Baby an sich und stolperte davon, ohne das Verschwinden der
Sphäre auch nur zu bemerken.

 
III
     
     
    Ultima entfernte sich in westlicher Richtung vom
Borametz-Steinbruch.
    Nachts schmiegte sie sich mit ihrem Kind in Spalten im Gestein und
versuchte die Geborgenheit des Kokons des Baums zu simulieren.
Sie aß, was sie gerade fand – halb vertrocknete
Kröten und im Schlamm vergrabene Frösche, Eidechsen,
Skorpione und das Fleisch und die Wurzeln von Kakteen. Sie
fütterte das Kind mit einem vorgekauten Brei aus Fleisch und
Pflanzen. Aber das Kind spuckte das Zeug wieder aus. Es vermisste
noch immer die Bauch-Wurzel und quengelte herum.
    Ultima wanderte immer weiter.
    Sie folgte keiner Strategie außer der, in Bewegung zu
bleiben und ihr Kind aus den chemischen Fängen des Baums zu
befreien. Alles Weitere würde sich finden. Wäre sie
intellektuell dazu in der Lage gewesen, dann hätte sie
vielleicht darauf gehofft, auf andere Leute zu stoßen und einen
Ort zu finden, an dem sie zu bleiben vermochte – vielleicht
sogar eine Gemeinschaft, die unabhängig von den Bäumen
lebte.
    Das wäre indes eine trügerische Hoffnung gewesen, denn
es gab auf der ganzen Erde keine derartigen Gemeinschaften mehr. Sie
wusste es nicht, aber sie war gestrandet.
    Das Land stieg an. Ultima ging in grobkörnigem Sand und
Kieseln.
    Nach einem halben Tag kam sie zu einem Ort mit flachen, glatten
Hügeln. Sie sah, dass diese erodierten Stümpfe sich
kilometerweit nach Norden und Süden hinzogen, bis zum staubigen
Horizont und darüber hinaus. Sie ging durch die Überreste
einer hohen Bergkette, die beim Zusammenstoß der Kontinente
aufgefaltet worden war. Doch die staubigen Winde von Neu-Pangäa
hatten die Berge längst zu diesen kümmerlichen Kuppen
abgeschmirgelt.
    Als sie sich umdrehte, sah sie ihre Spuren, begleitet von den
Schleifspuren der Knöchel und den Stellen, an denen sie
angehalten hatte, um zu essen, ihre Notdurft zu verrichten oder zu
schlafen. Das waren die einzigen Spuren in diesen stillen
Hügeln.
    Zwei Tage brauchte sie für die Überquerung der
Berge.
    Dann fiel das Land wieder ab.
    In der Ebene war die Vegetation etwas reichhaltiger, zum Beispiel
stachlige Bäume mit krummen Ästen und Büscheln
nadelartiger Blätter wie stachelige Pinien. Um die Wurzeln
huschten ein paar Mäuse – robuste Überlebende der
Nagetiere, die mit jedem Tropfen Wasser geizten – und
unzählige Eidechsen und Insekten. Sie jagte winzige Wesen wie
Geckos und Leguane und tat sich an ihrem Fleisch gütlich. Auf
diesem lockeren Untergrund musste Ultima aber vorsichtig sein und
nach Ratten-Mäulern und der glibberigen unsichtbaren Masse eines
im Hinterhalt liegenden Jägers Ausschau halten.
    Das Land fiel immer tiefer ab, und der Blick gen Westen weitete
sich. Sie sah eine große Ebene. Hinter einer Art
Küstensaum war das Land weiß, weiß wie Knochen, und
es erstreckte sich wie ein Laken zu einem messerscharfen, geometrisch
präzisen Horizont.
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