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Evolution

Evolution

Titel: Evolution
Autoren: authors_sort
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Himmel wie helle Korridore. In der Mitte der Scheibe
war der galaktische Kern, eine wie Eidotter anmutende Ausbuchtung aus
gelb-orangen Sternen. Das Licht hatte fünfundzwanzigtausend
Jahre gebraucht, um vom überfüllten Kern hierher zur Erde
zu reisen.
    Zu Zeiten des Menschen war die Sonne in den Körper der
großen flachen Scheibe eingebettet gewesen, sodass man die
Galaxis im Profil gesehen hatte; ihre flammende Glorie war von den
Staubwolken verschleiert worden, von denen die Scheibe
übersät war. Doch nun war die Sonne auf ihrem langsamen
Orbit um den Kern aus der Ebene der Galaxis hinausgewandert.
Verglichen mit den paar tausend Lampen, die den Himmel der Menschen
markiert hatten, war dies wie ein Blick auf die Lichter einer
ausgedehnten Stadt.
    Ultima wollte schier verzagen.
    Ein heller Haken erschien am Himmel. Das war natürlich der
Mond, der sich in dieser Nacht als Halbmond darstellte. Das
gütige Antlitz, das lang vor der Geburt des Menschen schon auf
die Erde herabgeschaut hatte, war über eine halbe Milliarde
Jahre praktisch unverändert geblieben. Und doch schien diese
schmale Mondsichel heller über dem neuen Superkontinent als
über dem wohnlicheren Land der Vergangenheit. Denn der Mond
leuchtete durch reflektiertes Sonnenlicht, und die Sonne war heller
geworden.
    Hätte Ultima gewusst, wo sie hinschauen musste, hätte
sie vielleicht am Himmel neben der Scheibe der Galaxis eine
trübe Schliere ausgemacht, die in klaren Nächten gut zu
sehen war. Diese ferne Schliere war die als Andromeda bekannte
Galaxis mit der doppelten Größe der Milchstraße. Sie
war noch immer eine Million Lichtjahre von der Milchstraße
entfernt; doch in Zeiten des Menschen hatte die Entfernung das
Doppelte betragen, und selbst damals war sie schon mit dem
bloßen Auge zu sehen gewesen.
    Andromeda und die Milchstraße steuerten auf eine Kollision
zu, die in noch einmal einer halben Milliarde Jahren erfolgen
würde. Die beiden großen Sternensysteme würden
einander durchdringen wie sich vermischende Wolken, wobei
unmittelbare Zusammenstöße zwischen Sternen eher die
Ausnahme sein würden. Aber es würde eine
Initialzündung für die Entstehung von Sternen erfolgen, und
eine Explosion von Energie würde die Scheiben beider Galaxien
mit harter Strahlung überschütten. Es würde eine
bemerkenswerte, aber tödliche Lightshow stattfinden.
    Doch zu diesem Zeitpunkt würde es auf der Erde nicht mehr
viel geben, was von der Katastrophe noch in Mitleidenschaft gezogen
werden könnte. Denn das Auflodern der Sonne würde bereits
vorher den Untergang allen Lebens auf der Erde einleiten.
     
    Der Morgen brach so abrupt an wie immer. Eidechsen und Insekten
verschwanden schnell in den Ritzen und Spalten, wo sie den Tag
verschlafen würden, um auf den Abend zu warten.
    Das Baby wimmerte. Sein Pelz war zu Büscheln verklebt, und
die Stelle, wo die Bauch-Wurzel angeschlossen gewesen war, schien
sich entzündet zu haben. Das Kind tat weiter sein Unbehagen
kund, bis Ultima etwas Lebermoos vorgekaut hatte und es ihm
einflößte. Kaktus war auch unleidlich und zupfte sich
Schmutz und eingetrocknete Kotreste aus dem Fell.
    An diesem Morgen schien es doch keine so gute Idee mehr zu sein,
sich so fern der Heimat hier im Niemandsland herumzutreiben. Doch
während sie das Baby hielt, wurde Ultima sich bewusst, dass sie
dem Baum fernbleiben musste – entweder das, oder sie
würde das Kind verlieren. Sie klammerte sich an diese eine
unumstößliche Tatsache.
    Ultima und Kaktus setzten die ziellose Wanderung durch die
Landschaft fort und entfernten sich immer weiter vom Steinbruch. Wie
tags zuvor aßen sie das, was sie gerade fanden -Wasser fanden
sie allerdings nicht –, und sie gingen den Ratten-Mäulern
und anderen Gefahren aus dem Weg.
    Und irgendwann nachmittags, als die Sonne sich schon wieder an den
Abstieg vom Himmel begeben hatte, sah Ultima plötzlich die
Sphäre wieder.
    Sie hatte vergessen, dass sie überhaupt existierte. Und es
kam ihr auch nicht in den Sinn, sich zu fragen, wie ein so
großes Gebilde von dort, vom Steinbruch wohl hierher gekommen war.
    Kaktus zeigte an der Sphäre gar kein Interesse, nachdem sie
herausgefunden hatte, dass sie nicht essbar war. Sie ging missmutig
weiter und zupfte sich rote Staubkörner aus dem Pelz.
    Mit dem schlafenden Baby im Arm ging Ultima zur Sphäre mit
der purpurschwarzen Hülle. Sie beschnüffelte sie und leckte
diesmal auch daran. Wieder stieg dieser seltsame Ozon-Geruch ihr in
die Nase. Sie
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