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Evolution

Evolution

Titel: Evolution
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Ein schwacher Wind blies ihr ins Gesicht. Er
trug schon den Geruch von Salz mit sich. Nichts regte sich, so weit
das Auge reichte.
    Sie hatte einen Rest des austrocknenden Binnenmeers erreicht. Es
gab noch immer Wasser hier draußen – es dauerte sehr lang,
bis so ein Meer ausgetrocknet war –, aber der enge
Wasserstreifen war so salzhaltig, dass dort kein Leben gedieh, und
wurde von diesem weißen Salzsee eingerahmt, der sich bis zum
Horizont erstreckte.
    Ultima drückte das Baby an sich und setzte den Abstieg
fort.
    Sie erreichte die Ausläufer des Salzsees. Parallele
Bänder markierten den früheren Küstenverlauf. Sie
schöpfte ein wenig Salz, leckte daran und spie das bittere Zeug
sofort wieder aus. Es gab hier auch Vegetation, die im salzigen Boden
zu leben vermochte, zum Beispiel kleine gelbe Stachelbüsche, die
wie die Stechpalmen, Honeysweet und Wolfsmilch aussahen, die einst in
den kalifornischen Wüsten ums Überleben gekämpft
hatten. Versuchsweise brach sie einen Stechpalmenzweig ab und kaute
die Blätter, aber sie waren zu trocken. Frustriert warf sie den
Zweig weg.
    Und dann sah sie die Fußspuren.
    Neugierig stellte sie ihre Füße in die flachen
Abdrücke im Boden. Hier waren Zehen gewesen, dort eine
Schleifspur, die vielleicht von einem aufgestützten Knöchel
stammte. Die Spuren mussten schon alt sein. Der Schlamm war steinhart
gebacken, und sie selbst hinterließ keine Abdrücke.
    Die Spur zog sich schnurgerade über die Salzpfanne bis zum
leeren Horizont. Sie folgte ihr ein paar Schritte. Aber das Salz war
hart, verharscht und heiß, und als es in die kleinen
Schnittwunden und Kratzer an Händen und Füßen
gelangte, brannte es höllisch.
    Die Spur lief nicht zurück. Wer auch immer sie gezogen hatte,
war nicht wiedergekehrt. Vielleicht hatte der unbekannte Wanderer
ganz Nordamerika durchquert, um zum Meer zu gelangen: Es gab
schließlich keine Hindernisse mehr.
    Sie wusste, dass sie der Spur nicht zu folgen vermochte, die sich
in diesem toten Meer verlor.
    Und es hätte auch keinen Unterschied gemacht, wenn sie ihr
gefolgt wäre. Dies war Neu-Pangäa. Wohin auch immer sie
gegangen wäre, sie hätte nur den gleichen roten Boden und
die gleiche sengende Hitze gefunden.
    Sie blieb für den Rest des Tages an diesem trostlosen stillen
Strand. Die untergehende Sonne schwoll an, die Scheibe flackerte, und
das grelle Licht verwandelte die Salzebene in ein ausgewaschenes
Rosa.
    Dies war die letzte weite Reise, die ein Exemplar ihrer uralten,
mobilen Abstammungslinie jemals unternahm. Und nun war die Reise zu
Ende. Dieser sonnendurchglühte tote Strand war der Endpunkt.
Für die Kinder der Menschheit gab es nichts mehr zu
erforschen.
    Als das Licht erlosch, machte sie kehrt und ging den Hang hinauf.
Sie schaute nicht zurück.
     
    In den Jahren nach Ultimas Tod drehte die Erde sich immer
langsamer; der Reigen mit dem zurückweichenden Mond neigte sich
dem Ende zu.
    Und die Sonne loderte immer heller in ihrem vom Wasserstoff
befeuerten Furor.
    Die Sonne war ein Fusionsofen. Doch nun wurde der Kern der Sonne
mit Helium-Asche verstopft, und die umliegenden Schichten
stürzten in den Kern: Die Sonne schrumpfte. Und durch diesen
Kollaps wurde die Sonne heißer. Nicht viel – alle hundert
Millionen Jahre nur um etwa ein Prozent –, aber das genügte
schon.
    Für die meiste Zeit der Erdgeschichte hatte das Leben sich
vor der stetigen Erwärmung zu schützen vermocht. Der
lebende Planet hatte mittels seines ›Blutkreislaufs‹ –
den Flüssen und Meeren, der Atmosphäre und der Tektonik
sowie den Interaktionen von Myriaden Organismen – Schadstoffe
beseitigt und Nährstoffe deponiert, wo sie gebraucht wurden. Die
Temperatur wurde von Kohlendioxid geregelt, einem wichtigen
Treibhausgas und dem Rohstoff für die pflanzliche Photosynthese.
Dies war eine Rückkopplungs-Schleife. Je wärmer es wurde,
desto mehr Kohlendioxid wurde vom verwitternden Gestein absorbiert,
sodass der Treibhauseffekt reduziert und die Temperatur
heruntergeregelt wurde.
    Doch je heißer die Sonne wurde, desto mehr Kohlendioxid
wurde im Gestein gebunden und desto weniger stand den Pflanzen zur
Verfügung.
    Fünfzig Millionen Jahre nach Ultimas Tod brach die
Photosynthese zusammen. Die Pflanzen verwelkten: Gräser, Blumen,
Bäume und Farne – alles weg. Und die Lebewesen, die von
ihnen lebten, starben auch. Große Königreiche des Lebens
implodierten. Erst vergingen die Säugetiere – die Nagetiere
hatten bis zuletzt ausgeharrt – und
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