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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse
Autoren: Jan Guillou
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der Gruppenchefs und Vizegruppenchefs. Der Rest war Müll.
    Für den Müll gab es im Grunde nur eine Rettung. Man musste es machen wie der dicke Johan, sich ausgefallene Klamotten und eine hochtrabende Sprache zulegen, Dixieland hören, wie ein Blöder büffeln und den Intellektuellen spielen, der Grobiane ohne Intelligenz verachtete.
    Es gab große und wichtige Unterschiede zu dem System, das in der pfefferkuchenartigen Volksschule in der reichen Vorstadt geherrscht hatte. Dort hatte sich nach ganz anderen Kriterien entschieden, zu welcher Gruppe jemand gehörte. Auch dort hatten die Lehrer ihr Wohlwollen oder ihren Widerwillen den Kindern gegenüber gezeigt, aber gezählt hatte dabei ausschließlich, wie jemand sprach oder wie sein Nachname lautete. Auch dort war es wichtig gewesen, wer der Stärkste in der Klasse war und wer beim Fußball in der großen Pause die meisten Tore schoss. Aber das alles war nicht ausschlaggebend gewesen. Es hatte unsichtbare Regeln gegeben, die entschieden, wohin man gehörte.
    Wichtig war, dass jemand aus einer feinen Familie stammte. Ob jemand aus einer feinen Familie stammte, war weniger an den Kleidern abzulesen gewesen als an der Sprache. Wer sich stets mit klarer, sicherer Stimme vorstellte, wer auf komplizierte Weise um Entschuldigung bitten konnte und häufiger ausgefallene Wörter benutzte als andere, der kam aus einer feinen Familie und bekam die besten Noten.
    Und hier in der Lehranstalt in der Stadt war nun alles anders. Unter den siebenhundert Knaben gab es alle mögliche halbfeine, weniger feine und gar nicht feine Familienhintergründe. Es war durchaus nicht schwer, sie auseinander zu halten. Bei manchen roch die Kleidung nach Petroleum. Manche hatten zu Hause Bilder an der Wand hängen, sie hatten Kristalllüster und große Wohnungen. Sie kamen aus feinen Familien. Keine Bilder und kleine Wohnung bedeutete keine feine Familie. Dazu die Unterscheidung in Grammatik, Wortwahl und Aussprache, die man hörte, noch bevor man das Petroleum roch oder an der Haustür von einem Dienstmädchen empfangen wurde.
    Doch in der Schule hier wurde den Knaben vom Pult, vom Rednerpodium in der Aula und durch des Käptns Betrachtungen eingetrichtert, dass sie sich in einem Schmelztiegel für das neue Schweden befanden. Hier gab es nicht Herr und Knecht wie im alten Schweden. Hier schuf jeder Knabe seine Zukunft im freien Wettbewerb und unter denselben Bedingungen. Wer in seiner Schulzeit emsig lernte, würde aufsteigen. Wer das nicht tat, würde aus dem Wettbewerb ausgesondert werden und unter den Verlorenen in der Volksschule landen. Die Schweden seien ein freies Volk, eine schöne germanische Rasse mit stolzen Traditionen. Und die Knaben würden dereinst im neuen demokratischen Schweden an den Gipfel der Macht gelangen. Sie seien die Zukunft, darum seien eine harte Erziehung und ein gesunder Geist in einem gesunden Körper vonnöten.
    Draußen in der Welt herrschte das undefinierbare Böse.
    Das Ideal der Demokratie war, dass man immer in irgendetwas der Beste sein konnte und dass man einen Rückschlag hoch erhobenen Hauptes hinnahm. Draußen jedoch, in der bösen Welt, in den von Russland eroberten Ländern, gab es diese Möglichkeiten nicht mehr. Dort waren die Menschen wie Maschinen und sie waren alle gleich.
    So dröhnten die Predigten während des obligatorischen Morgengebets. Auf das Ritual dieses Morgengebets wurde großes Gewicht gelegt. Die Knaben stellten sich in einer vorher festgelegten Ordnung in schweigenden Doppelreihen auf. Der Aufsichtslehrer schritt die Reihen ab und überzeugte sich davon, dass jeder sein Gesangbuch in der linken Hand hielt (Gesangbuch vergessen bedeutete einen Eintrag, drei Einträge ließen die Kopfnote sinken).
    Wenn der Rektor dann endlich sein großes Schlüsselbund klirren ließ, marschierten die Knaben in der festgelegten Reihenfolge in die Aula. Jetzt war Reden verboten. Wer doch redete, riskierte einen Eintrag.
    Auf den Choral folgte die Predigt. Meistens ging es darin um komplizierte religiöse Moralfragen. Es kamen dazu nämlich angehende Geistliche in die Schule, die ihre Predigten an den Knaben ausprobierten, und da die angehenden Geistlichen einerseits nervös waren und andererseits versuchten, in ihren Predigten eine so scharfsinnige Theologie zu vertreten wie überhaupt nur möglich, war ihr Gerede für die Knaben absolut uninteressant. Die Knaben widmeten sich derweil diskretem Büffeln (Erik erledigte immer seine Hausaufgaben). Oder
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