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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse
Autoren: Jan Guillou
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er an diesem Nachmittag auch allein bleiben und die ganze Clique verlieren können. Wenn er auch nur im Geringsten gezögert oder den Schlag in den Solarplexus nur halb verpatzt hätte, wäre er geliefert gewesen.
    Das graue Jugendstilgebäude, in dem die Lehranstalt untergebracht war, ragte mitten im Stadtteil Vasastan auf wie eine Burg. Im Treppenhaus hinter dem großen Eingangsbereich stand eine Skulptur, die Ikaros darstellte und die der Nationalbildhauer, einer der beiden berühmten ehemaligen Schüler der Anstalt, geschaffen hatte. Die Treppen waren aus dunkelgrünem Marmor.
    Wer zum ersten Mal durch das schwere Eichenportal und durch die dunklen Gänge mit dem hohen Gewölbe schritt, wusste, dass er ein neues Leben begann. Wenn man die Mittelschule besuchte, war die Sache kein Spiel mehr. Man war jetzt getrennt von denen, die zur Volksschule gingen und die es im Leben nie zu etwas bringen würden.
    Davon hatte die Begrüßungsrede des Rektors gehandelt. Danach hatten die Knaben, hier war immer nur die Rede von Knaben, den ersten Tag der Einführung in die Disziplin der Anstalt widmen müssen.
    Der Klassenlehrer ernannte einen Ordnungsmann. Der Ordnungsmann war eine Art Kompaniechef, der den Lehrer vorn am Pult erwartete. Der Ordnungsmann musste auf der schwarzen Tafel notieren, wer sich beim Warten auf den Lehrer danebenbenommen, wer geflucht, den Pultdeckel zu heftig zugeschlagen oder zu laut gesprochen hatte.
    Wenn der Lehrer hereinkam, schrie der Ordnungsmann: »Aufgepasst!« Die Knaben traten einen Schritt nach rechts aus der Bankreihe und standen Habtacht. Der Ordnungsmann machte eine volle Wendung zum Lehrer hin und leierte herunter: »Klasse 2-5 A, abwesend Arnrud, Carlström, Svensen und Örnberg.«
    »Guten Tag, Knaben. Setzen!«, brüllte der Lehrer.
    Dann übertrug er das, was der Ordnungsmann an die schwarze Tafel geschrieben hatte, in das dicke Klassenbuch. Drei Einträge im Klassenbuch pro Halbjahr und die Kopfnoten wurden um eine Stufe gesenkt.
    Wer danach vom Lehrer angesprochen wurde, musste sofort in Habtacht-Stellung gehen. Die unangenehme Situation, Habtacht stehen und mit lauter, deutlicher Stimme - immer laut und deutlich, sonst musste es wiederholt werden - mitteilen zu müssen, dass man die Antwort nicht wusste, hatte angeblich einen positiven pädagogischen Effekt. Die Knaben sollten auf diese Weise eine Neigung entwickeln, die Antworten in Zukunft doch zu wissen.
    Die Regeln, nach denen ein Ordnungsmann ernannt wurde, waren ein wenig vage. Dafür war der Klassenlehrer zuständig, und bei einer Klasse mit neuen, unbekannten Knaben war das nicht leicht. Ein gut angezogener Knabe aus besserem Hause -Kleidung und Nachnamen gaben hier wichtige Hinweise -, der nicht zu schwächlich aussah, war die Faustregel in einer neuen Klasse. Aber nichts hinderte den Klassenlehrer daran, jederzeit den Ordnungsmann auszuwechseln.
    Beim Sport waren die Auswahlkriterien weniger dem Zufall überlassen. Der Käptn hatte seine klare Routine. Der Käptn war Kapitän der Reserve und empfing die Knaben mit einem Florett in der Hand, das er nachdenklich einige Male durch die Luft pfeifen ließ, ehe er es beiseite legte. Bei der Auswahl stand ihm sein Untergebener, Leutnant Johansson, zur Seite.
    Wenn der Ordnungsmann die Klasse in die Turnhalle geführt hatte, erteilte der Käptn den Knaben den Befehl, durch die Halle zu laufen. Er gab dabei mit kurzen, lauten Geräuschen den Takt an.
    »Lölö lölölö, lölö lölölö«, hallte es unter der hohen Decke wider.
    Sie liefen durch die Halle, mit dem seltsamen Gefühl, nicht zu begreifen, was hier passierte und was der Käptn damit bezweckte. Nach einer Weile wurde die Übung abgebrochen, und die Knaben mussten sich in zwei Reihen vor den dicken Tauen an der einen Längswand aufstellen. Die Taue hingen von der Decke und die Halle war ungefähr sieben Meter hoch.
    »Und jetzt: klettern, Knaben!«, brüllte der Käptn. »Fertig, los, vier und vier, so hoch ihr könnt!«
    Die meisten blieben irgendwo auf halbem Wege hängen. Einige schafften es nur ein kleines Stück, ehe sie unter dem Kichern der Zuschauer resignierten und wieder nach unten rutschten. Der dicke Johan kam unter dem spöttischen Kommentar Leutnant Johanssons ungefähr einen Meter hoch. Erik und noch zwei andere kletterten bis ganz nach oben. Erik erfasste intuitiv, was dazu nötig war.
    Die nächste Übung war Bockspringen. Der Bock wurde in jeder Runde erhöht, bis nur noch Erik und Leuchtturm
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