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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse
Autoren: Jan Guillou
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reden, und wenn er das Duell wirklich irgendwann gewann, dann würde das nur dazu führen, dass die Clique langsam zerfiel und er am Ende ohne einen einzigen Kumpel dastand, der ihm gehorchte. Er würde ganz allein mitten auf dem Schulhof stehen, ohne zu begreifen, wieso. Es reichte eben nicht, der Stärkste zu sein.
    Leuchtturm war nämlich der Stärkste, da konnte es keinen Zweifel geben. Er war fast zwanzig Zentimeter größer als alle anderen aus seinem Jahrgang. Er war noch keine vierzehn, aber er war eins achtzig groß, wog achtundsechzig Kilo, konnte einen kleinen Ball problemlos fünfundsechzig Meter weit werfen und hatte einen absolut gigantischen Schwanz. Leuchtturm prügelte sich selten und fantasielos, aber er war grauenhaft, wenn er in Zorn geriet.
    Erik hatte während der vergangenen Woche, als klar war, dass das Unvermeidliche näher rückte, das Problem immer wieder gedreht und gewendet. Leuchtturm schlug eine lange, schwingende Rechte. Es war ein langsamer Schlag, aber mit Gewicht und großer Reichweite. Er trat nie. Aber er versuchte, den Gegner festzuhalten, um sein Gewicht ins Spiel zu bringen. Wenn man unter Leuchtturm zu liegen kam, war man ihm hilflos ausgeliefert. Leuchtturm schlug schwer und langsam abwechselnd in den Bauch und ins Gesicht des Opfers, bis die Sache als erledigt gelten konnte.
    Leuchtturm war derjenige, der das Geld einsammelte. Jeder Schüler konnte Geld bei ihnen leihen. Die Bedingungen waren einfach: hundert Prozent Zinsen in zwei Tagen - und Leuchtturm nahm sich die vor, die nicht bezahlten. Es war absolut notwendig, Leuchtturm zu den säumigen Zahlern zu schicken, sonst wäre das System schon zu Anfang zusammengebrochen.
    Leuchtturm schlug eigentlich ohne Aggressivität, und wer von ihm Prügel kassierte, hielt sie vor allem deshalb für schlimmer, als sie in Wirklichkeit waren, weil er so groß war und eine schwarze Lederjacke mit dem Emblem der Clique auf dem Rücken trug. Die Angst der Opfer vor Leuchtturms Schlägen war im Grunde wichtiger als die Schläge selbst.
    Es war Göran gewesen, der Leuchtturm immer wieder beiseite genommen hatte, um ihm einzureden, er müsse Erik im Kampf besiegen und damit die Macht und Führung in der Clique an sich reißen. Vielleicht hatte Göran nicht einmal damit gerechnet, dass Leuchtturm gewinnen würde. Aber er hatte dicht neben Erik gestanden, als sie im ersten Jahr an der Schule die Clique gegründet hatten und es noch eine offene Frage gewesen war, wer denn nun bestimmen sollte. Erik hatte Göran nach allen Regeln der Kunst zusammenschlagen müssen, um die Sache ein für alle Mal zu klären, und ein Jahr lang war alles gut gelaufen. Jetzt wollte Göran wahrscheinlich versuchen, Leuchtturm nach und nach zu seiner eigenen Waffe aufzubauen.
    Erik hatte sich in der Woche vor der Herausforderung nichts anmerken lassen. In dieser Zeit hatte er seinen taktischen Plan perfektioniert. Es war ganz klar, dass es keine Möglichkeit mehr zu einem Kompromiss gab. Er konnte nur gewinnen oder Prügel kassieren, und wenn er Prügel kassierte, würde er danach sehr allein sein. Leuchtturms Überlegenheit in Gewicht und Reichweite machte ihm viel weniger Angst als das Risiko, allein und von der Clique ausgeschlossen zu sein.
    Aber nach einigen Tagen des Nachdenkens hatte er genau gewusst, wie er Leuchtturm besiegen konnte. Nicht seine Schnelligkeit würde die Entscheidung bringen, die wurde von Leuchtturms Gewicht und Kraft ausgeglichen. Aber Leuchtturm dachte langsam, und es dauerte lange, bis er wütend wurde. Also konnte man ihn besiegen, wenn man rasch und kompromisslos ans Werk ging. Dagegen verwarf er die Alternative, Leuchtturm unter seinen Riesenschwanz zu treten. Ein solcher Sieg würde keinen Beifall finden, sondern nur zu allerlei Gerede führen, und am Ende stünde ein Revanchekampf, der noch schwieriger zu gewinnen wäre.
    Eine Herausforderung verlief immer nach einem bestimmten Ritual. Die Kämpfer stellten sich einander gegenüber und widmeten einige Minuten gegenseitigen Beschimpfungen, bei denen es vor allem um die Feigheit des Widersachers ging. Dann musste man den Gegner dazu bringen, zuerst und ein wenig zögerlich zuzuschlagen, damit man mit voller Wucht zurückschlagen konnte. Man konnte dem Gegner zum Beispiel immer wieder auf die Nase tippen, bis er die Beherrschung verlor und sich wehrte. Damit war dem Ritual Genüge getan und der Kampf in Gang. Während des Rituals bildeten die Zuschauer einen johlenden Kreis, um die Sache
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