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Eva Indra

Eva Indra

Titel: Eva Indra
Autoren: Bis aufs Blut
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von Vorteil. Ja, sie war sehr attraktiv, sah man von der langen, tief eingefurchten Narbe auf ihrer rechten Wange ab.
    Endlich sah sie die Lichter. Die Lichter eines Zuges. Schnell, die Zigarette zwischen den Lippen, schnappte sie ihre beiden Taschen und eilte zum Bahnsteig 2. Dort angekommen, schaltete sich die Anzeigetafel um. Gespannt starrte Anna auf die Tafel. Torino Porta Nuova, Espresso 902. 20:46 stand nun schwarz auf weiß auf der Anzeige. Sie kannte niemanden in Turin, aber das war wohl besser so, denn es sollte der erste Meilenstein auf ihrer Flucht werden. Der Zug kam zum Stillstand, die Türen öffneten sich. Müde Gesichter starrten stumm. Männer gaben ihr diesen gewissen Blick – und Anna war plötzlich unglaublich schlecht. Mit einem Satz war sie im Zug, eilte auf die Toilette und übergab sich, gleich nachdem die Türe hinter ihr ins Schloss fiel. Sie wusste nicht mehr, wie lange sie über der Kloschüssel gebeugt stand und auf die braune Suppe darin starrte, aber in all der Zeit wurde ihr immer mehr bewusst, dass Leonard den Tod verdient hatte.
    6

Eva Indra Bis aufs Blut
    Kapitel 2
    Alles hatte genauso eigenartig begonnen, wie es nun, drei Jahre später geendet hatte: Mit einem Verbrechen. Sie war damals gerade eben mal ein Jahr in London und diese pulsierende Weltstadt hatte sie schon geformt, denn sie war nicht mehr das Mädchen, das Wien verlassen hatte. Sie hatte sich dazu entschlossen weil sie nicht wusste, was sie sonst mit ihrem Leben hätte anfangen sollen. Nachdem sie mit neunzehn Jahren das Abitur bestanden hatte, ein Jahr später als üblich, denn sie hatte einmal eine Klasse wiederholt, fand Anna, dass sie es sich verdient hatte, einmal für längere Zeit nichts zu machen. Ihre Eltern, bei denen sie nach wie vor wohnte, waren zwar von ihrer Unentschlossenheit nicht begeistert, aber sagten zunächst nichts. Erst als Anna auch nach einem Jahr noch nicht die geringsten Anzeichen machte einen Job zu finden oder sich in einer der Wiener Universitäten einzuschreiben, wurden sie ungehalten. So sehr, dass Anna, obwohl sie immer noch nach dem Sinn ihres Lebens sinnierte, auf die Anzeige Au-pair Mädchen in London gesucht geantwortet hatte, die eines Samstages im Kurier annonciert war. Sie wollte einfach raus aus Wien, weg von dem Spießbürgertum, an dem sie förmlich zu ersticken glaubte. Der Umstand, dass sie noch nie zuvor in Großbritannien war und ihre Englischkenntnisse außerdem zu wünschen übrig ließen, hatten dem Ganzen nur noch mehr das Flair eines Abenteuers verliehen, doch die Dinge sollten wieder einmal anders kommen.
    Kaum aus Wien heraus fand sie sich doch nur in einer Familie mit zwei Kindern wieder, die ihr das Leben zur Hölle machen wollten. Da es diesmal nicht um ihre eigene Familie ging und beleidigtes Zuschlagen von Türen nicht gefragt war, hatte Anna keine andere Wahl, als sich von den Farley's, so hieß die Familie, schon drei Monate nach ihrer Ankunft in London wieder zu verabschieden. Ihre Eltern wussten von dem abrupten Entschluss ihrer trotzigen Tochter natürlich nichts und lebten fest im dem Glauben, dass Anna in London gut aufgehoben sei. Aber vielleicht war es gerade diese überstürzte Entscheidung, die Anna endlich dazu bewog etwas mit sich anzufangen; denn bei dem Gedanken nach Wien zurückzukehren, bekam sie lediglich die Gänsehaut. Diese neue Situation, nun zum ersten Mal auf sich selber gestellt zu sein, war wahrscheinlich das Beste, was ihr hatte passieren können. Es versetzte sie unweigerlich unter einen gewissen Druck, eine neue Tätigkeit zu finden.
    Dass es eine Stelle als Kellnerin wurde störte sie nicht. Ganz im Gegenteil. Ihre Tätigkeit in dem Café Nero in South Kensington betrachtete sie eher als Bereicherung denn als Notlösung. Sie wollte so schnell wie möglich ein eigenes Zimmer beziehen und dieser Job brachte ihr nicht nur das dazu dringend benötigte Geld ein, sondern gab ihr endlich auch die Möglichkeit, sich unters Volk zu mischen. Dafür war es höchste Zeit, denn bisher kannte sie niemanden außer den Farleys und deren Freunde. Diese Gesellschaft war für sie keine Lebensbereicherung gewesen. Der Gedanke, allein in einer fremden Stadt zu leben schreckte sie nicht ab, dazu bestand kein Grund. Als einzige Tochter neben zwei Brüdern stand sie seit ihrer Kindheit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und dies sollte sich auch in London nicht ändern.
    Vielleicht wehrte sie sich deshalb nicht gegen Heraklis Avancen, als er zum ersten
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