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Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall

Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall

Titel: Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
Autoren: Friederike Schmöe
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1. Auszeit
    Sie standen zu siebt nebeneinander im Herbstlaub, dicht an dicht. Paula, Norbert, Hagen, Mia, Katinka, Suse und Mareike. Katinka roch Suses aufdringliches Patchouli-Parfüm. Atmen. Nicht denken. Der Bogen lag noch locker in der Hand.
    »Pfeile auflegen!«
    Sieben Arme schwenkten über die Köpfe zu den Bögen.
    »Einatmen.«
    Das war der kraftvollste Moment. Jener Augenblick, da die Bögen sich zum Himmel richteten, die Pfeilspitzen blitzend in der Sonne. Katinka sog die Konzentration von sieben Menschen an einem herbstlichen Tag im Wald auf, die Energie gespannter Erwartung.
    »Ausatmen.«
    Ihr Rhythmus war im Laufe der letzten drei Tage in Gleichklang übergegangen. Sieben Arme spannten die Sehnen. Katinka spürte ihren Daumen an der Wange. Eins sein mit dem Bogen und den anderen Schützen. Mit dem letzten Quäntchen Luft aus ihren Lungen zupfte sie die Sehne wie eine Harfensaite.
    Sieben Pfeile zischten durch das Blau. Sie hatten in perfekter Harmonie geschossen. Die Pfeile trafen fast gleichzeitig auf der Zielscheibe auf. Nicht alle. Katinka hatte ihren haarscharf vorbeifliegen sehen, fast als habe sie absichtlich nicht auf die Strohscheibe, sondern auf die Burgmauer zwanzig Meter weiter gezielt. Es kommt nicht darauf an, dass ihr trefft, war Luisa in diesen Tagen nicht müde geworden zu versichern. Treffen bedeutet nichts. Gar nichts. Wenn ihr jetzt trefft, habt ihr noch nichts verstanden.
    »Wunderbar«, sagte Luisa und hängte sich ihren Bogen über die Schulter. »Packen wir zusammen.«
    Das Aufräumen funktionierte wie geschmiert. Einige sammelten die Pfeile ein. Norbert nahm die Scheibe ab, Katinka und Paula kümmerten sich um die Bögen.
    »Tolle Gegend«, sagte Paula, während sie neben Katinka zu Luisas Ford Transit gingen. »Ich komme aus Schweinfurt, das ist nun wirklich nicht weit weg, aber dass es hier so viele Burgen gibt, habe ich erst jetzt richtig bemerkt.«
    »Geheimnisse der Haßberge«, sagte Katinka lächelnd. Das Bogenschießen tat gut. Sie vergaß ihre schweren Gedanken, genoss die strahlende Herbstsonne und die Übungen in schweigender Konzentration. Die Sorgen verloren an Wirklichkeit. Wurden blass wie in die Jahre gekommene Polaroidfotos.
    »Kanntest du die Rauheneck schon?«, wollte Paula wissen und machte eine Kopfbewegung zu den eingefallenen Mauern, vor denen sie geübt hatten.
    »Nicht nur die. Ich liebe sie alle. Die Rauheneck, die Bramberg, die Altenstein…« Katinka legte die Bögen in den Wagen und breitete eine Decke darüber. Mit den Langbögen aus Eibenholz musste man behutsam umgehen. Jedes Stück hatte Luisa selbst gefertigt, mit Ledernocken und sorgsam umwickelten Griffen. Auch die Sehnen und die Pfeile waren Handarbeit. Einige Pfeile sahen schon ziemlich zerfleddert aus, die Federn ausgefranst, gespickt mit Resten von Grashalmen, andere verbogen und von Luisa mit Klebeband geschäftet.
    »Schade, dass die Burg gesperrt ist«, meinte Paula und steckte sich eine Zigarette an, während sie auf die anderen warteten.
    »Einsturzgefahr. Du kannst trotzdem rein, es ist niemand da, der dich aufhalten würde. Viel zu sehen gibt es nicht, dazu ist zu wenig übrig. Ein paar Mauern, Fensteröffnungen, Gewölbebögen.«
    »Und die Gerüste?« Paula wies mit dem Kinn zur Burg.
    »Es wird immer mal wieder was dran gemacht. Wäre auch zu schade, wenn die Rauheneck in ein paar Jahrzehnten nur noch ein Steinhaufen wäre.«
    »Hagen und ich schießen sonst mit Sportbögen«, wechselte Paula das Thema. »Glasfiberbögen mit allem erdenklichen Schnickschnack. Du kannst zielen wie mit einem Gewehr. Perfekt treffsicher. Das müsste doch was für dich sein.«
    »Ich bin nicht beruflich hier.«
    »Aber deine Knarre hast du mit, oder?«
    Katinka wedelte den Rauch weg. Paula schaute wohl ganz genau hin und hatte das Holster mitsamt Beretta unter ihrer Jeansjacke bemerkt. Allerdings hatte Katinka nicht die Bohne Lust, Suggestivfragen zu beantworten, und über ihren Beruf oder ihr Leben wollte sie schon gar nicht reden. Deswegen hatte sie diese Auszeit genommen: Eine Woche Bogenschießen in den Haßbergen, vor mittelalterlicher Kulisse, in freier Natur. Obwohl sie nur knappe fünfzig Kilometer von Bamberg weg war, half ihr die räumliche Distanz, endlich abzuschalten. Sie begann sich loszulösen von dem, was ihr in den letzten Wochen Kopf und Herz schwer gemacht hatte. Bei der Kennenlernrunde am ersten Abend hatten die meisten Teilnehmer reichlich verblüfft reagiert, als Katinka sich
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