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Eva Indra

Eva Indra

Titel: Eva Indra
Autoren: Bis aufs Blut
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Mal in das Kaffeehaus kam und draufgängerisch mit ihr flirtete. Er war gebürtiger Grieche, das hatte er ihr gleich bei ihrer ersten Begegnung in dem Café Nero stolz verkündet, wohin er von nun an jeden Tag kam. Doch sonst sprach er kaum von sich selbst. Das heißt nicht, dass er nichts zu sagen hatte. Ganz im Gegenteil. Von dem Moment an, in dem er in das Café trat und Anna überschwänglich mit: „Anna, meine Göttin! Du wirst mit jedem Tag schöner!“, begrüßte, bis zu dem Zeitpunkt, an dem er das Kaffeehaus wieder verließ, hatte er kaum Luft zum Atmen geholt, so unentwegt sprach er von Gott und der Welt. Meist waren es endlose Monologe, gespickt mit Fragen, die er auch gleich wieder selbst beantwortete, ohne auch nur zu Anna aufzublicken. Die Themen variierten, aber hauptsächlich ging es um die Politik seines
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Eva Indra Bis aufs Blut
    Landes. Manchmal waren es detaillierte Berichte über seine Reisen nach Bagdad, gelegentlich jedoch auch heitere Anekdoten über Frauen. Anna verstand weder viel von Politik, noch war sie jemals aus Europa herausgekommen. Es waren die frivolen Geschichten über sein Leben und seine Beziehungen mit Frauen, die Anna am meisten fesselten. An ihm selbst, als Mann, war sie leider nicht interessiert, obwohl er irgendwie zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden war. Warum das so war, konnte sie nicht in Worte zu fassen. Und ebenso unglücklich war die offensichtliche Tatsache, dass Heraklis nicht nur freundschaftlich an Anna Gefallen gefunden hatte. Er war zweiundvierzig, stets braungebrannt, zweimal geschieden und seiner Meinung nach ein Lebenskünstler. Die brennende Frage, wie er seinen Lebensunterhalt finanzierte, hatte Anna in all den Monaten nie gestellt. Sie hatte ihre eigene Antwort darauf gefunden. Für Anna war er der reiche Sohn einer griechischen Reedereifamilie, so einer, der es nicht notwendig hatte, sich über Geld den Kopf zu zerbrechen. Einer derer, die von Beruf einfach nur Sohn waren. Wie auch immer, trotz seiner beharrlichen Liebesbeschwörungen Anna gegenüber, hatten sich die Wogen seiner Liebe letztendlich geglättet und sie wurden endlich Freunde. Vielleicht hatte sie sich deshalb nichts Schlimmes gedacht, als er ihr eines Nachmittags im Dezember diesen ungewöhnlichen Vorschlag unterbreitete:
    „Dein Körper ist zu schön, um nicht von jedermann bewundert zu werden. Ich sage dir, du verkümmerst in dieser Bude nur. Raus musst du! Ins Scheinwerferlicht! Auf die Bühne mit dir! Tanzen - Tanzen sollst du vor ihnen, dass ihnen der Mund offen stehen bleibt.“
    „Aber ich kann gar nicht gut tanzen, Heraklis“, hatte sie ausweichend geantwortet. „Was heißt, du kannst nicht tanzen? Du bist Wienerin! Du hast es im Blut! Ich beobachte dich nun schon über ein halbes Jahr wie du dich bewegst, wie du dich bückst, wie du dich streckst, wie du wie eine Koryphäe deine Hüften schwingst, wie du lasziv dein Haar aus dem Nacken streichst. Glaube mir, ich weiß wovon ich spreche. Warum machst du mir nicht die Freude und versuchst es einmal. Ich habe da diesen Freund, der hat einen noblen Nachtklub in Soho...“
    Anna schüttelte heftig verneinend ihren Kopf
    „...nein, nein, nicht was du glaubst. Es ist ein exklusiver Klub. Wirklich! Vertraue mir! Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen. Doch sollte es dir nicht gefallen - auch gut - dann war's ein einmaliges Erlebnis und ich werde nie wieder ein Wort davon erwähnen“, hatte er fortgesetzt, als wäre er noch nie so sehr von etwas überzeugt gewesen.
    Anna hatte tatsächlich an diesem besagten Nachmittag zugestimmt, es einmal zu probieren. Doch an dem Abend ihres ersten Auftrittes in dem verwegenen Londoner Nachtklub, kurz bevor sie auf die Bühne treten sollte mit ihren kurzen schwarzen, kaum den Po bedeckenden Shorts und ihrem engen Bikinitop, stellte sie ihre kürzlich gefasste Entscheidung schwer in Frage. Was machte sie hier überhaupt? Hatte sie es notwendig, sich selbst zu beweisen? Wie konnte sie nur so naiv sein und der Geschichte mit dem elitären Nachtklub Glauben schenken, wo sie doch hätte wissen müssen, dass es sich um einen Stripteaseklub handeln würde! Doch ein Rückzug war nicht mehr möglich. Heraklis hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt und man hatte Anna in das Abendprogramm mit aufgenommen. Eine über vierzigjährige Frau, die auf Siebzehn machte, sich als "Choreographin" ausgab und doch eher einer Puffmutter glich, hatte sich erbarmt, Anna zu zeigen wie sie ihren zierlichen Körper
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