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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition)
Autoren: Christine Millman
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schlurfte davon. Doreé folgte ihr. Gerne hätte sie in Erfahrung gebracht, was Ophelia zugestoßen war, hätte sie getröstet und versucht, sie zum Gehen zu überreden, doch blieb keine Zeit dafür. Sie mussten schleunigst alles zusammenraffen und verschwinden, bevor ihre Mutter zurückkommen würde oder einer der Escorter. Während sie die Wendeltreppe hinaufstieg, sah sie, wie Ophelia unschlüssig das Telefon anstarrte. Wen sie überlegte anzurufen, konnte Doreé sich vorstellen. Aber sie konnte nicht sprechen, also wozu? Die Escorter erwarteten Doreé, wenn überhaupt, sicher an anderer Stelle zurück. Schließlich waren sie fest davon überzeugt, dass sie versuchen würde, Gäap zu finden. Und soweit Doreé wusste, kehrte niemand, der es nicht geschafft hatte, sich mit seinem Escort zu verbinden, zurück. Trotzdem. Eile war geboten. Das Haus war nicht sicher.
    In ihrem Zimmer reichte sie Jakob ein weißes T-Shirt, zog sich anschließend selbst um und packte zusammen, was von ihren Kleidern übrig war. Anschließend hetzte sie in das Schlafzimmer ihrer Mutter und holte die Schatulle aus dem Nachttisch, in der sie wichtige Dokumente und größere Mengen Bargeld aufbewahrte, und stopfte sie kurzerhand zu ihren Sachen. Jakob beobachtete sie schweigend. Er wirkte angespannt, die Augen dunkel und traurig.
    Im Flur streifte Doreé sich Turnschuhe über, zerrte den Ersatzschlüssel für ihren Wagen aus der Kommode und hetzte zur Tür. Ophelia saß stumm auf dem Sofa, die Hände im Schoß gefaltet, Tränen in den Augen. Ein Häufchen Elend.
    Der Anblick zerriss Doreés Herz. »Es tut mir leid, Ophelia, aber wir müssen gehen.«
    Die Haushältern schüttelte den Kopf, ihre Unterlippe schlackerte, ein Speicheltropfen rann über ihr Kinn.
    »Du musst das verstehen. Ich bin nicht wie meine Mutter«, fuhr Doreé fort.
    Ophelia nickte, senkte den Kopf und starrte auf ihre Hände. Doreé öffnete die Tür und ging. Das Ziel ihrer Reise kannte sie nicht und es war ihr auch egal. Sie wollte einfach nur fahren, bis Müdigkeit oder ein leerer Tank sie zu einer Pause zwingen würde. Weg. Sie musste weg von diesem Ort, weg von ihrer Mutter, Ophelia, den Escortern und den Gideonisten. Weg von allem, was sie kannte.
    David hatte sie verloren. Ihr einziger Trost war die Gewissheit, dass er nicht mehr in der Gegenwelt weilte, dass er hoffentlich Vergebung gefunden hatte bei seinem Gott. Trotzdem vermisste sie ihn und es schmerzte, an ihn zu denken. Schnell verdrängte sie die Erinnerung. Sie musste sich auf ihren Bruder und sich konzentrieren, darauf, ein neues Leben zu beginnen. Und sie musste Luzifers Versprechen einlösen, um sich und Jakob zu schützen.
     

 
     
     
     
Epilog
     
    Müde öffnete Doreé die Tür zu der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung, die sie mit ihrem Bruder bewohnte. Ihr Rücken schmerzte und ihre Muskeln waren so verspannt, dass sie sich kaum noch aufrecht halten konnte. Zehn Abreisen im Hotel hatten dafür gesorgt, dass sie ebenso viele Zimmer grundreinigen musste. Die Arbeit als Zimmermädchen. Ein Knochenjob.
    Erschöpft pellte sie sich aus ihrer Jacke, hängte sie an die Garderobe und streifte dann die Schuhe ab. Das Schuhregal war belegt mit Jakobs neusten Gemälden und so schnickte sie ihre Schuhe einfach hinter die Tür. Aus dem Zimmer ihres Bruders drang das Geräusch des Fernsehers. Irgendeine Zeichentrickserie.
    »Jakob? Ich bin zuhause.«
    Er antwortete nicht, wie immer. Mittlerweile hatte sich Doreé an die Wortkargheit ihres Bruders gewöhnt. Trotzdem warf sie einen Blick in sein Zimmer, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Er saß auf seinem Bett und starrte auf den Bildschirm.
    »Hi, Bruderherz«, grüßte sie ihn.
    Er hob den Blick und lächelte sie an. Nicht zum ersten Mal dachte sie, wie attraktiv ihr Bruder aussah und wie traurig es doch war, dass er in seiner eigenen Welt lebte.
    »Hast du großen Hunger oder kann ich erst ein Bad nehmen?«
    »Hu … nger«, sagte er in seiner typisch gepressten Art. Indem er sich den Bauch rieb, verlieh er den Worten Nachdruck.
    »Na gut. Dann bestell ich uns was beim Chinesen. Ich bin total erledigt. Zehn Abreisen an einem Tag, es war die Hölle.«
    Ein Anflug von schlechtem Gewissen huschte über Jakobs Gesicht und Doreé ärgerte sich, dass sie vor ihm gejammert hatte. Es belastete ihn, dass er zu ihren kargen Einkünften nichts beitragen konnte. »Aber wenigstens gab es ordentlich Trinkgeld«, fuhr sie schnell fort und wühlte in ihrem Rock
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