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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein
Autoren: Imogen Parker
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Mann, dessen Büro ein Spiegelbild von Martins Zimmer war
und an der entgegengesetzten Ecke des Saals lag. Ich dachte müßig über die
Kleiderordnung der Bank nach. Mein erster Eindruck war, daß mit steigendem Rang
die Schlipse immer langweiliger wurden, was dann zu der Beobachtung führte, daß
nur zwei Frauen im Raum waren — ich und die Sekretärin im Vorzimmer des Büros,
in dem ich Martin reden sehen konnte.
    Mein Telefon klingelte.
    »Den?« sagte eine Männerstimme.
    »Nein, tut mir leid, hier ist Sophie. Kann ich
Ihnen helfen?«
    »Oh, sorry«, sagte die Stimme. Dann wurde
aufgelegt.
    Ich legte den Hörer zurück. Fast unmittelbar
danach klingelte es erneut. Ich sagte hallo, aber niemand antwortete.
    Ich nahm mir vor, Martin zu fragen, wie ich mich
am Telefon melden sollte, weil ich den Eindruck hatte, daß es mir ziemlich
schwerfallen würde, mich mit dem angemessenen Respekt in der Stimme als
>Martin Youngs Sekretärin< zu bezeichnen. Ich schaute wieder auf meinen
Monitor, um zu sehen, ob neue Messages gekommen waren. Es gab keine. Ich begann
mich zu langweilen. Im Händlersaal war jetzt nicht viel los. Aus der erwarteten
Senkung der Sollzinsen war nichts geworden, und die Märkte begannen sich nach
der frühmorgendlichen Aktivität zu beruhigen. Der Bildschirm mit den
Reuters-Nachrichten über der Tür wiederholte die gleichen Meldungen, die er
schon seit einer Stunde gezeigt hatte. Darunter waren drei Digitalanzeigen mit
den Kursen des Dollar, der D-Mark und des Yen, die jetzt praktisch stabil
waren, und darunter wiederum eine Reihe von Uhren, die Ortszeiten von New York,
Japan und Hongkong anzeigten. Die Stunden bis zur Mittagspause (bzw. bis zum
Frühstück, zum Nachmittagstee und zum Abendessen in diesen Städten) schienen
außergewöhnlich langsam dahinzukriechen.
    Ich brauchte dringend eine Tasse Kaffee, und da
sich offenbar niemand ein Bein ausriß, um mich herumzuführen, beschloß ich,
mich eben alleine umzusehen. Gerade als ich aus meinem Büro ging, klingelte
erneut das Telefon.
    »Den, bist du das?«
    »Mr. Youngs Vorzimmer«, erwiderte ich und
unterdrückte ein Kichern. »Mit wem spreche ich bitte?«
    Am anderen Ende der Leitung wurde mit einem
Klick der Hörer aufgelegt.
    Ich rief die Vermittlung an und merkte, daß ich
mit der muffligen Empfangsdame sprach, die ich schon getroffen hatte. Ich sagte
ihr, ich hätte zwei Anrufe für jemanden namens Den bekommen.
    »Na und, was soll ich dagegen tun? Er hat Ihre
Durchwahl verlangt«, sagte sie anklagend und legte abrupt auf.
     
    Ich fand die kleine Küche ohne sonderliche Mühe.
Über der Kaffeemaschine hing ein handgeschriebenes Schild, das besagte: »War
das grad die letzte Tasse? Mach neuen fix, das wär echt klasse!!!«
    Ich habe eine Aversion gegen aufdringliche
kleine Notizen, die witzig sein wollen, speziell wenn sie sich reimen oder
Ausrufezeichen enthalten, also freute es mich zu sehen, daß sich niemand darum
gekümmert hatte und die Kaffeekanne leer war. Ich warf die benutzte Filtertüte
weg, entdeckte im Schrank ein paar neue, zusammen mit einer Packung gemahlenem
Billigkaffee, auf der »Büro!« stand, füllte Wasser in die Maschine und schaltete
sie ein. Die anderen Schränke waren leer bis auf ein paar Beutelchen
Instant-Kakao, von denen jedes mit »Pat« beschriftet war. Abgesehen von ein
paar Flaschen Milch und einigen Yoghurtbechern — ebenfalls mit Namen
ausgezeichnet — , deren Verfallsdatum überschritten war, herrschte auch im
Kühlschrank Leere.
    Einer der untergeordneteren Händler (ich
schätzte seinen Status nach der rosa Krawatte mit den großen gelben Punkten ab)
steckte den Kopf zur Tür herein, zwinkerte mir zu und sagte: »Für mich schwarz
mit zwei Stück Zucker, Schätzchen.«
    »Wollen wir das noch mal versuchen?« fragte ich.
»Das heißt: >Hallo, Sie sind neu hier, stimmt’s? Wie heißen Sie denn? Tja
dann, Sophie, willkommen an Bord. Kochen Sie etwa gerade Kaffee? Also, wenn es
Ihnen nicht zuviel Mühe macht, könnte ich auch eine Tasse haben, wenn er fertig
ist? ...< Und dann sagen Sie mir Ihren Namen, ja? Ist doch ganz einfach.«
Ich hatte ihn nur ein bißchen aufziehen wollen, aber irgendwie kam es reichlich
pompös heraus.
    »Ach, vergessen Sie’s«, sagte der Händler und
marschierte davon.
    Später hörte ich ihn einem seiner Kollegen
zuflüstern: »Sieh dich bloß vor, Alter. Ich glaub’, das ist ’ne gottverdammte
Feministin oder sowas.«
    Als ich mir gerade eine Tasse Kaffee
einschenkte, kam
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