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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein
Autoren: Imogen Parker
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Nachricht, die besagte, daß mein Vater und sein
Schatz einkaufen gegangen waren. Sie hätten einen netten jungen Mann zum
Abendessen eingeladen, hieß es da, und ich solle etwas Verführerisches
anziehen. Ich lächelte und nahm den Hörer ab.
    »Sophie. Ich bin’s, Charlotte. Ich rufe an, um
mich zu entschuldigen. Sie müssen mich fürchterlich unhöflich gefunden haben.«
    »Nicht im geringsten«, sagte ich und kreuzte
dabei die Finger.
    »Könnten wir miteinander zu Mittag essen?«
fragte sie.
     
    Das Wetter war kälter geworden, und die
Bürgersteige waren vereist. Charlotte hatte ein kleines Café in einer winzigen
Seitenstraße des Boulevard Montparnasse vorgeschlagen, das anscheinend von
Studenten und Künstlern frequentiert wurde, aber ziemlich schwer zu finden war.
Ich kam eine halbe Stunde zu spät.
    Die Tische waren mit weißem Papier gedeckt, und
in ihrer Mitte stand statt einer Blumenvase jeweils ein Topf mit Buntstiften
zum Herumkritzeln. Charlotte schaute von ihrer Zeichnung eines Stechpalmenzweigs
auf und lächelte mich an. Erst am Abend zuvor hatte mein Vater mir erzählt, daß
Picasso gelegentlich seine Rechnungen zu begleichen pflegte, indem er etwas auf
das Tischtuch skizzierte. Nach einem kurzen Blick auf Charlottes Bemühungen hoffte
ich, daß sie eine konventionellere Möglichkeit hatte, ihre Schulden zu
bezahlen.
    Sie stand auf und küßte mich auf beide Wangen.
    »Ich bin ja so erleichtert«, sagte sie. »Ich
dachte, so wie ich mich gestern aufgeführt habe, hätten Sie beschlossen, nicht
zu kommen.«
    »Nein, ich hab’ mich bloß verlaufen«, sagte ich
und fühlte mich ziemlich schuldbewußt, so fürchterlich über sie geredet zu
haben. Sie schien sehr darauf bedacht, freundlich zu sein, und im Geiste nahm
ich all die schlimmen Dinge zurück, die ich über sie gesagt hatte.
    »Ich habe viel nachgedacht«, begann Charlotte,
»wie Sie sich denken können, und es gibt soviel, was ich Sie fragen möchte.«
     
    Wir plauderten bei Cassoulet und einer Flasche
Rotwein. Ich hatte den Verdacht, daß Charlotte in der Nacht zuvor auch
getrunken haben könnte, denn sie sah ziemlich übel aus und wurde nach nur einem
Glas ein wenig beschwipst. Sie war viel entspannter und alberner als am Tag
zuvor. Wenn sie lachte, hatte sie Grübchen wie ihre Mutter. Ich begann sie
allmählich zu mögen.
    Ich erzählte ihr, so gut ich konnte, was sie
wissen wollte. Wir tranken einen Kaffee nach dem anderen, während es draußen
dunkel wurde und die Straßenlampen angingen.
    Gegen Ende meiner Erklärungen bemerkte ich, daß
Charlotte still und nachdenklich geworden war. Ich hörte auf zu reden.
    »Glauben Sie, Liz würde...?« fragte sie äußerst
nervös.
    »Würde was?«
    »M-m-mich m-m-mögen?« stammelte sie.
    »Was?« Ich vermochte nicht zu glauben, daß
jemand, der äußerlich derart cool und weltmännisch wirkte, so offensichtlich an
sich zweifeln konnte. »Sie würde Sie lieben. Aber natürlich würde sie das.«
    »Wirklich? Das sagen Sie nicht bloß so?«
    »Wirklich«, sagte ich.
    Sie holte tief Luft.
    »Also o.k.«, sagte sie schließlich. »Ich glaube,
ich sollte sie besser kennenlernen. Ich verbringe Weihnachten bei meinen
Eltern. Vielleicht danach?«
    »Das ist ja wunderbar! Sie wird so glücklich
sein, ehrlich«, sagte ich, kritzelte in dickem blauem Buntstift eine Adresse
auf das Tischtuch und riß sie ab. »Hören Sie, könnten Sie mir einen Gefallen
tun?« fragte ich und gab ihr das Stück Papier.
    »Ich glaube, ich bin Ihnen einen schuldig«,
sagte Charlotte.
    »Könnten Sie ihr erzählen, daß Sie nach
ihr gesucht haben, und mich aus dem Spiel lassen? Es ist bloß eine kleine Lüge,
aber es würde es für sie soviel einfacher machen. Und«, mußte ich zugeben, »für
mich.«
    »Natürlich werde ich das«, sagte Charlotte.
»Zumindest weiß ich jetzt, wie ich dabei vorgegangen wäre. Ich denke, ich werde
es schon schaffen, mich überzeugend anzuhören. Sie ist also zurück nach
Primrose Hill gezogen?« fügte sie hinzu und schaute auf das Papier.
    »Ja. Sie hat meine Wohnung übernommen, solange
ich weg bin. Sie konnte nicht wieder bei ihrer Mutter leben. Zumindest können
Costas und Elena ein Auge auf sie haben. Und meine Pflanzen werden gegossen.«
     
    »Und Sie?« fragte Charlotte, als wir zusammen
den Boulevard Montparnasse entlangschlitterten und gelegentlich stehenblieben,
um die Weihnachtsauslagen in den Schaufenstern zu betrachten. »Was werden Sie
machen? Werden Sie wieder bei der Bank
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