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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein
Autoren: Imogen Parker
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Luft.
    »Nachdem das Baby adoptiert wurde, sah es aus,
als sei alles in Ordnung. Liz ging zurück auf die Schule, bekam ein paar gute
Noten, wurde Krankenschwester. Niemand wußte, was passiert war. Sie war
zwanzig, wohnte noch immer zu Hause, war aber gut in ihrem Beruf, wurde
befördert und so weiter. Sie sollte gerade Oberschwester auf der Kinderstation
werden, als ein kleines Mädchen mit einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus
eingeliefert wurde. Es hieß Sophie. Die anderen Schwestern bemerkten, daß Liz
eine ungewöhnliche Anhänglichkeit zu diesem kleinen Mädchen entwickelte, also
erwähnten sie diese Tatsache der Polizei gegenüber, als das Kind zwei Tage,
bevor es aus dem Krankenhaus entlassen werden sollte, verschwand.
    Die Polizei fand das kleine Mädchen in dem
Lagerraum hinter dem Laden der Eltern von Liz. Es war absolut glücklich, denn
es war von so viel Süßigkeiten umgeben, wie es nur essen konnte. Es war dort
nicht sehr lang gewesen, und niemand weiß, was Liz mit ihm vorgehabt hatte,
aber sie wurde angeklagt, das Kind entführt zu haben.«
    »Deswegen mußten sie also Weggehen und nach
London ziehen... Deswegen war ihre Mutter so besorgt um sie...«, sagte
Charlotte.
    »Ja. Und das ist der Grund, warum sie Liz
seither so überängstlich von allem ferngehalten haben. Der Richter schickte sie
für eine Weile in eine Nervenklinik. Liz hat keinerlei Erinnerungen daran. Als
sie schließlich wieder rauskam, konnte sie naheliegenderweise nicht wieder als
Krankenschwester arbeiten, also bekam sie einen Job unter den Augen ihres
gestrengen Vaters. Und sie hatte immer das Gefühl, sein Leben ruiniert zu
haben. Die Psychologin, mit der ich gesprochen habe, glaubt, daß sein
kürzlicher Tod ein weiterer Auslöser dafür sein könnte, daß sie wieder aus dem
Gleis geraten ist.«
    »Die arme Frau«, sagte Charlotte.
    Ich seufzte tief erleichtert auf. Ich hatte eine
von zwei Reaktionen von ihr erwartet — Angst oder Sympathie. Ich war
hocherfreut, daß sie sich für die Sympathie entschieden hatte. Wenn man sie
erst einmal kannte, war es ziemlich schwer, sich vor Liz zu fürchten.
    »Also«, sagte Charlotte, »ist Liz meine Mutter.«
    Ich nickte.
    Wir saßen ein paar Minuten schweigend da. Charlotte
rührte einen Löffel Zucker nach dem anderen in ihren dritten Kamillentee, bis
ich meine Hand auf ihre legte, um sie zu stoppen.
    »Danke«, sagte sie, und eine große Träne
kullerte ihr über das Gesicht.
    Ich überließ sie ihren eigenen Gedanken und ging
zur Toilette. Bis ich zurückkam, hatte sie ihre eisig-kühle Haltung
wiedergefunden.

Kapitel Vierundzwanzig
     
      »Was ich
immer noch nicht verstehe«,
sagte sie, »ist, wie Sie mich gefunden haben. Ich habe gewußt, daß ich ein
Adoptivkind bin, seit ich denken kann, und gelegentlich habe ich mich gefragt,
wer meine Mutter war und warum sie mich weggeben hat. Ich weiß, daß ich dem
Gesetz nach meinen ursprünglichen Geburtsschein einsehen darf, aber davor muß
man rechtlichen Rat einholen, und ich habe den ganzen Aufwand einfach nie
betreiben wollen, speziell, solange meine Eltern am Leben sind. Sie sind meine
Eltern«, fügte sie entschlossen hinzu, als sie ein flüchtiges Erstaunen über
mein Gesicht huschen sah. »Es geht um mehr als bloße Biologie, wissen Sie.«
    Ich nickte.
    »Natürlich weiß ich das«, sagte ich. »Reg war
mir ein besserer Vater, als die meisten biologischen Väter ihren Töchtern je
gewesen sind.«
    »Woher also wußten Sie, wo Sie mich finden konnten?«
wiederholte Charlotte.
    »Mir kam einfach diese Idee in den Kopf, daß Liz
wohl nicht mehr so schnell wieder aus den Fugen geraten würde, wenn sie wüßte,
daß ihre Tochter in Sicherheit wäre. Ich fragte, ob sie jemals nach ihr gesucht
hatte, aber es war ihr gesagt worden — von ihren Eltern nehme ich an es sei für
Mütter verboten, nach ihren Kindern zu suchen. Bei mir dachte ich, man mußte
sie hinters Licht geführt haben. Ich rief bei den örtlichen Sozialeinrichtungen
an, und sie bestätigten, was ich dachte. Man sagte mir, es sei keineswegs
illegal, bloß äußerst schwierig. Der Punkt ist, daß ich Liz keine falschen
Hoffnungen machen wollte. Ich mußte einen Weg finden, Sie ausfindig zu machen,
ohne daß sie daran beteiligt war. Sie weiß nicht, daß ich hier bin«, fügte ich
rasch hinzu.
    »Ich war mir nie sicher, ob ich das Richtige
tat...« Ich sah Charlotte an und suchte in ihrem Gesicht nach einem Zeichen der
Ermutigung.
    »Ich weiß noch nicht«, sagte
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