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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein
Autoren: Imogen Parker
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sie; sie hatte
meine unausgesprochene Bitte verstanden.
    »Ich habe mit der Therapeutin lange Gespräche
darüber geführt, aber natürlich wollte sie sich weder so noch so dazu äußern.
Als ich sie bedrängte, sagte sie aber, ihrer Meinung nach würde es in einer
idealen Welt gut für Liz sein zu wissen, daß ihre Tochter in Sicherheit war.
Der einzige andere Mensch, mit dem ich darüber gesprochen habe, war Dave. Er
hatte ein bißchen Erfahrung darin, mit Geistesgestörten umzugehen, und ich
wußte, daß er mir ehrlich sagen würde, was er dachte. Tja, er sagte, es sei
eben keine ideale Welt. Er meinte, daß ich versuchte, Gott zu spielen. Er
stellte mir ein paar ziemlich unangenehme Fragen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, was ist, Wenn ich Sie finde, und
Sie stellen sich als Fixerin oder so was raus«, platzte ich heraus.
     
    Das war dann schließlich das Ende meiner
Beziehung zu Dave gewesen. Wir zankten uns ein bißchen. Um der Wahrheit die
Ehre zu geben, war mir eigentlich nichts an seiner ehrlichen Meinung gelegen,
wenn sich herausstellte, daß sie sich von meiner unterschied. Ich beschuldigte
ihn, sich einzumischen. Er erwiderte, mit einem ganz besonders nervenden
kleinen Lachen, wenn sich hier jemand einmische, dann nicht er. Es war die Art
von Streit um nichts, die man hat, wenn eine Beziehung in den letzten Zügen
liegt. Wir beschlossen, es gut sein zu lassen, bevor die Sache ätzend wurde.
    Manchmal frage ich mich, was geschehen wäre,
wenn wir uns zu einer anderen Zeit getroffen hätten. Ich erinnere mich, wie ich
an diesem ersten Tag war, als ich an Regs Bett gesessen und jedermann zum Lachen
gebracht hatte. Ich erinnere mich an den hochgradig erotischen Moment der
Erwartung, bevor er mich zum ersten Mal küßte, und ich erinnere mich an dieses
idyllische Wochenende auf der Isle of Wight. Dort war etwas ganz Besonderes vor
sich gegangen, aber aus irgendeinem Grund hatte keiner von uns beiden es
wirklich festgehalten, und danach schien es sich einfach zu verflüchtigen.
    Zumindest schafften wir es, in aller
Freundschaft miteinander Schluß zu machen. Er kam zu meiner letzten Show im
Pub. Jools war auch da. Sie schienen derart gut miteinander klarzukommen, daß
sie es kaum bemerkten, als ich ging, um nach Hause zu fahren und zu packen.
     
    »Wenigsten bin ich keine Fixerin«, sagte
Charlotte. »Einen Drink könnte ich allerdings schon brauchen.«
    Wir bestellten zwei Gläser Kir.
    »Ich hatte nicht viele Anhaltspunkte«, fuhr ich
fort. »Wenn ich gleich gewußt hätte, daß ich nur eine einzige Chance besaß, Sie
zu finden, hätte ich mir die Mühe gar nicht erst gemacht, glaube ich. Aber
sobald ich erst einmal mit der Suche begonnen hatte, begannen die
Nachforschungen ihre eigene Dynamik anzunehmen. Es ist, als würde man ein
Puzzle auslegen, außer, daß es dreidimensionaler ist als das — mehr wie eines
dieser Logikrätsel, wo man gewisse Informationsbruchstücke hat, von denen man
glaubt, daß sie überhaupt nichts besagen, aber wenn man sie in die richtige
Reihenfolge bringt und Möglichkeiten ausschließt, bekommt man am Ende ein
größeres Bild.«
    Charlotte saß jetzt vorgebeugt da, interessiert.
Ich bemerkte, daß ihr wohler dabei war, sich mit Logikspielchen zu befassen als
mit Emotionen.
     
    Als ich zum ersten Mal das St Catherine’s House
aufsuchte, stellte ich mir vor, daß dort mehr Informationen zu finden sein
würden. In Wirklichkeit sind in den riesigen, schweren Bänden, in denen die
Adoptionen verzeichnet sind, lediglich der Adoptionsname des Kindes, das Jahr,
in dem es geboren wurde, und der Tag der Eintragung ins Register angegeben.
Nicht der ursprüngliche Name, nicht das Geburtsdatum, kein Hinweis auf den Ort,
wo die Adoption stattfand.
    »Ich hatte noch Glück, daß Ihre Adoption Anfang
der Sechziger stattfand. Später haben sie bloß noch das Geburtsjahr des Kindes
angegeben, was es noch schwieriger macht, die Zahlen einzuschränken.«
    »Wie viele Leute werden denn jedes Jahr
adoptiert?« fragte Charlotte.
    Ich erzählte ihr, daß es für das Jahr ihrer
Adoption gut über 100 Seiten gab. Jede Seite hatte zwei Spalten mit jeweils
rund vierzig Eintragungen, was alles in allem rund 8 000 Namen ergab.
    »Und sie sind alle wüst durcheinander auf einer
altmodischen Schreibmaschine getippt«, fügte ich hinzu. »Man kann immer bloß
ein paar Seiten auf einmal überprüfen, weil sich einem der Kopf zu drehen
beginnt.«
    »Aber sie sind doch gewiß alphabetisch
geordnet?«
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