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Bad Dad

Bad Dad

Titel: Bad Dad
Autoren: Thomas Pramendorfer
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1. TAG: HAPPY BIRTHDAY DAVID-RYAN!

    Entbindungen sind kein Kindergeburtstag.
    Um neun Uhr morgens guter Dinge ab ins Krankenhaus, dort angekommen, heisst es rein in das "Rote Zimmer". Ein kurzer Rundumblick beruhigt, der Name des Raumes rührt von der Farbe der Einrichtung her. Es klebt kein Blut an den Wänden. Zu Beginn der Geburt läuft alles wie geschmiert - man verzeihe mir das Wortspiel - selbst die Hebamme flüstert mir hinterrücks noch ein überzeugtes: "das geht bestimmt schnell", zu.

    Acht Stunden "Over the Top"-style Armdrücken später rinnt mir der Schweiss der werdenden Mutter von der Stirn.  
    Selbst wiederholtes Mahnen gebietet ihrem unerklärlichen Redefluss kaum Einhalt. Immer wieder schiessen gut gemeinte, an das Baby gerichtete, Aufforderungen zwischen ihren zerknirschten Zähnen hervor, gelegentlich unterbrochen von erschöpften Satzfragmenten wie, "halt mir den Kopf fest" und einem ebenso überraschenden wie treffenden Helge Schneider Zitat, das die werdende Mutter dem Kind im Bauch zuflüstert: "Baby, es gibt Reis."
    Da der Hebamme der Humor des mütterlichen Bonmots verborgen bleibt und mir ein hysterisches Auflachen des werdenden Kindesvaters in Anbetracht der Situation als unangebracht erscheint, lasse ich das aufsteigende Gekicher gleich in meiner staubigen Kehle verrotten und hüstle stattdessen in meine blutleer gequetschte Faust.

    Ich klatsche einen nassen Lappen auf das Gesicht meiner Frau. Sie trinkt aus einer Flasche, die ich geflissentlich wiederbefülle. Die Hebamme dreht den Wehentropf von 30 auf 60. Dann auf 120. Das ist viermal besser!
    So hoffe ich zumindest.
    Meine Beine tun weh, ich warte auf den Hexenschuss. Ich geniere mich still und heimlich über ebendiesen Gedanken, schliesslich bin nicht ich derjenige, der hier die harte Arbeit macht, aber niemand scheint zu merken, was ich denke. 18:00 Uhr, ich gehe eine rauchen und zum achten mal pinkeln. Ich bin am verhungern. Nie wieder esse ich ein Beeren Ballisto. 

    Langsam wird es später. Mittlerweile hat sich auch eine echte Ärztin und deren Handlanger eingefunden. Ich verspüre leichten Optimismus - jetzt wo wir zu viert sind - und hoffe, dass aus der ganzen Angelegenheit nicht doch noch in letzter Sekunde ein Kaiserschnitt wird. Die Mutter wird schliesslich nicht kräftiger, ihre Energiereserven gehen langsam aber sicher zur Neige. Es müsse "angeschoben" werden, sagt man uns, aber keine Sorge, man drücke nur auf den "Popo" des Babys, wie es im Medizinerjargon heisst, also den Kindsarsch.  
    Ich denke nur: "Ok, von mir aus" und begebe mich pflichtbewusst ans Kopfende des riesigen Bettes.  
    Die Ärztin schwingt sich, der Erdanziehung trotzend, mit einem Bein am CTG-Wagen, in eine akrobatische Powergrätsche, die stark an Keanu Reeves in "The Matrix" erinnert, und drückt mit ihrem gesamten Körpergewicht beide Hände in den Bauch meiner Liebsten, der sich darauf hin - wie ein überstrapazierter Wasserballon - Richtung Schambein aufbläht. Ich spiele mit dem Gedanken in Ohnmacht zu fallen, könnte aber die einhergehende lebenslange Scham nicht verkraften und halte mich stattdessen mit dem Kopf der Entbindenden aufrecht.
    Endlose Stunden später, also kurz darauf, kommt da unten plötzlich ein stark behaarter Kopf raus und mein erster Gedanke ist: "Das ist nicht meins, du Luder."
    Aber ich beruhige und erinnere mich dann an Fernsehsendungen und Gerüchte, dass Kinder ja oft pfirsichhautartig bepelzt und dunkelhaarig aus dem Mutterleib schiessen und nur unwesentlich später ihre Haar- und Augenfarbe wechseln.
    Ja, ja, Eitelkeit ist angeboren.
    Auch das denke ich mir und dann: "Riesenschädel, kein Wunder, dass der stecken blieb."
    Ob Säuglingsschädel avocadoförmig sein sollten, frage ich die Ärztin dann doch nicht, weil der Rest schon raus flutscht und ich ganz kurz - also eine angemessen männliche Zeitspanne lang - mit den Tränen kämpfe.
    Man denkt jetzt vielleicht: "Ach, das Wunder der Geburt, herrlich!", aber um ehrlich zu sein, es war bloss die Erleichterung zu wissen, dass meine tapfere kleine Maus (damit meine ich die Kindesmutter) es geschafft hatte!
    Erst danach zähle ich die Finger und Zehen meiner anderen, bedeutend schleimigeren kleinen Maus.
    David-Ryan, Happy Birthday!

2. TAG: THE ROAD HOME

    Weise mir den Weg, Gummi-Jesus!  
    Zur Erklärung: Gestern Nacht im Krankenhaus erschrak ich mehrmals auf dem Weg zum Klo, wo mir, den Gang runter links ums Eck, eine zwei Meter hohe Gips- oder Balsaholz-
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