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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein
Autoren: Imogen Parker
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mit Datteln auf Weißbrot mitbringen könne —
eigentlich solle sie ja nicht, aber es sei eben einer dieser Tage.
     
    Draußen war es ein wunderschöner warmer
Sommertag. Ich spürte, wie mein Körper sich entspannte und sich der Sonne
öffnete, wie er nach der Eiseskälte der Klimaanlage im Büro dankbar die Hitze
aufsaugte. Ich trug nur ein dünnes Kreppseidenkleid im Stil der 40er Jahre und
hatte den ganzen Morgen gebibbert.
    Ich entdeckte ein kleines Café in einer
Seitenstraße, das ein paar Tische draußen hatte und verzehrte in einer Wolke
von Dieselqualm meinen Rinderschinken auf Roggenbrot.
    Ist Ihnen eigentlich schon mal aufgefallen, daß
die Londoner beim allerersten Anzeichen eines schönen Tages ihre Gartenmöbel
abstauben, sich nach draußen in den Verkehrslärm und die Autoabgase setzen und
so tun, als wären sie auf einer sonnenüberfluteten mediterranen Piazza und als
könnten schmale britische Bürgersteige eine Cafékultur ebensogut tragen wie
jeder ausländische Boulevard?
    Ich hatte gerade den Kopf zurückgelegt, um die
letzten paar ultravioletten Strahlen zu erhaschen, bevor die Sonne hinter einem
kupferfarbenen Wolkenkratzer mit verspiegelter Glasfassade verschwand, als eine
laute Londoner Stimme fragte: »Was dagegen, wenn ich mich dazusetze?«
    Ich machte hinter meiner Sonnenbrille ein Auge
auf.
    »Klar«, sagte ich und meinte damit, daß die
hochaufgeschossene, schlanke Frau, die mir die Frage gestellt hatte, meinen
Tisch mit mir teilen konnte.
    »Danke.« Sie schwang einen schweren Matchsack
aus durchsichtigem Plastik über die Schulter, der voller Kosmetikfläschchen zu
sein schien. Oben quoll ein rosagrün gestreiftes Handtuch heraus. Sie ließ den
Sack geräuschvoll neben sich auf den Boden fallen und ging dann das Tablett mit
ihrem Essen holen.
    Ich sah verblüfft zu, wie sie begann, auf zwei
Sandwiches mit Rauchfleisch, einen großen Becher Krautsalat, sechs Gewürzgurken
und ein Stück ölig wirkenden Kokoskuchen einzuhauen.
    Ich trank mein Mineralwasser aus und stand auf.
Bevor ich wegging, mußte ich es einfach fragen: »Könnten Sie mir verraten, wie
Sie es schaffen, so schlank zu bleiben, wenn Sie derartig viel essen?«
    Sie stieß ein lautes, heiseres Lachen aus.
    »Bei mir setzt nichts an, und ich trainiere
viel. Aber wissen Sie, was die meisten Kalorien verbraucht?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Sex«, sagte sie. »Kein Witz. Diesen ganzen
Scheiß mit den Ballaststoffen und der natriumarmen Kost und so weiter können
Sie vergessen, wenn Sie bloß regelmäßig zum Vögeln kommen.«
     
    Später an diesem Nachmittag musterte ich mich im
Waschraumspiegel. Nicht, daß ich dick wäre, aber wenn man knapp ein Meter
sechzig groß ist, sieht man jedes zusätzliche Pfund. Sex, dachte ich.
Offensichtlich kriege ich nicht genug Sex.
     
    Wir tranken eine Flasche neuseeländischen
Sauvignon miteinander, während Martin mich überzeugte, daß er auch nichts von
Denises Ableben gewußt hatte. Die Nachricht regte ihn ziemlich auf, weil er —
genau wie ich — das Gefühl hatte, von Anfang an belogen worden zu sein. Er
sagte, bei seinem Einstellungsgespräch habe man ihm erzählt, es gäbe eine
erfahrene Sekretärin in der Abteilung, aber als er dann zu arbeiten begann,
berichtete ihm der Vizepräsident, der sein unmittelbarer Vorgesetzter war, sie
habe die Firma verlassen.
    »Ich glaube, seine genaue Formulierung war
>Denise ist nicht mehr bei uns<«, erinnerte er sich. »Aber dann sagte er
sowas wie >Für Sie ist das ja recht praktisch<, weil ich dann eben ganz
von vorne anfangen könne. Was für ein Sauhund!«
    »Du hattest also keine Ahnung?« sagte ich. »Oh,
Martin, tut mir echt leid, daß ich dich angeschrien habe. Ich dachte
einfach...«
    »Schon o.k. Wirklich. Ich kann’s ja verstehen.
Aber du wirst doch nicht kündigen, oder?«
    »Na ja, irgendwie geht mir das an die Nerven,
weißt du.«
    »Bleib wenigstens, bis ich jemand anders
gefunden habe.«
    »Also schön«, sagte ich widerwillig.
    »Trinken wir noch eine Flasche?« fragte Martin,
während er die letzten Tropfen Cloudy Bay in mein Glas goß.
    Wir saßen in einer schmuddligen Weinbar, einem
Kellerlokal, das gegenüber der Bank auf der anderen Straßenseite lag. Es roch
muffig wie das Innere eines leeren Sherryfasses.
    »Ich glaub’ nicht«, sagte ich.
    Uns hatte beide eine trübsinnige Stimmung
erfaßt. Martin bot mir eine Zehn-Pfund-Note an, damit ich ein Taxi nach Hause
nehmen konnte. Normalerweise wäre ich zu stolz
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