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Es muss nicht immer Grappa sein

Titel: Es muss nicht immer Grappa sein
Autoren: Grafit
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erkennen. Leider hatte ich ihren Abtransport nicht fotografiert, sondern nur die Plastikbehälter.
    BRUTALER MORD AN ALTER FRAU – titelte ich.
    Ekaterina S. (78) ist mit einer Plastiktüte erstickt worden. Die Polizei fand die Leiche der Frau gestern Morgen in ihrer bescheidenen Wohnung in der Schillerstraße. Das Opfer ist russischer Abstammung. Die Nachbarn bezeichnen Frau S. als freundlich und zurückhaltend. Die alte Frau muss ihren Mörder selbst in die Wohnung gelassen haben, denn die Polizei fand keine Einbruchspuren. Die Staatsanwaltschaft sucht jetzt nach Verwandten der Toten und nach Zeugen, die etwas über Frau S. und ihr Umfeld wissen.
    Zu mehr reichte es nicht. Ich garnierte noch ein Foto in den Text und schickte ihn Jansen zum Gegenlesen.
    Anschließend öffnete ich seinen Artikel über den Mord im Hilton -Hotel:
    PROMIFOTOGRAF ERSCHLAGEN – WURDE HEIN CARSTENS IN DIE FALLE GELOCKT?
    Der bekannte Promifotograf Hein Carstens (40) ist in einer Suite des Hilton Hotels erschlagen aufgefunden worden. Den bisherigen Ermittlungen zufolge ist der Täter ein Mann und wurde von dem Opfer freiwillig ins Zimmer gelassen. Der Unbekannte prügelte mit einem Baseballschläger auf Carstens ein.
    Carstens’ Leiche wurde erst einen Tag später von einem Zimmermädchen entdeckt. Die wertvolle Kameraausrüstung befand sich noch im Raum.
    Der Tatverdächtige ist von den Überwachungskameras im Foyer des Hotels aufgenommen worden. Allerdings ist er auf den Bildern wegen einer Baseballmütze und eines vor das Gesicht gehaltenen Mobiltelefons kaum zu erkennen.
    Eindeutig die bessere Geschichte, dachte ich. Aber nur heute.
    Hein Carstens unterhielt eine prätentiöse Homepage mit etlichen Galerien. Mich interessierten weder die Robbenkolonien auf Neufundland noch die morbide Romantik alter Zechentürme. Auch einer Fotoreportage über die Weinlese in Südafrika konnte ich im Moment nichts abgewinnen.
    Erotic – male and female. Das war eindeutig spannender. Ich öffnete die erste Fotoserie: Sexual desire.
    Der Begleittext:
    Hein Carstens hat sein Model Lola in dem intimsten Moment fotografiert, den es gibt – beim Sex. Die Bilder sind nicht peinlich, kitschig oder stumpf pornografisch, sondern lustvoll und unglaublich erotisch. Das haben wir der respektvollen und liebevollen Annäherung des Fotografen zu verdanken.
    Na ja, als Texter war der Herr Carstens wohl eher eine Fehlbesetzung.
    Ich schaute mir die Fotos an. Die Frau war jung, brünett und nackt. Und sie fummelte an sich herum.
    Das nächste Portfolio trug den verheißungsvollen Titel Woman pure:
    Eine nackte Frau auf einer weißen Matratze in einem kargen Raum – sonst nichts? Mehr geht nicht, denn Hein Carstens’ Philosophie heißt ›Reduced to the Max‹. Nichts lenkt ab von der Schönheit und Ästhetik dieser jungen Frau. Eine Offenbarung der Unschuld, nach der wir alle suchen. Model Kiki verkörpert diese Unberührtheit.
    Diese Frau war jung, blond und nackt. Und sie fummelte an sich herum.
    Aber Hein Carstens hat es irgendwie netter ausgedrückt, gestand ich in diesem Fall ein.
    Ich war viel zu prosaisch. Auch in Bezug auf den Kaviar. Das Döschen auf meinem Schreibtisch enthielt Fischeier – sonst nichts. Aber blumig beschrieben machten sie eine Menge mehr her. Ich holte den Text von Superiore Feinkost auf den Schirm:
    Die guten Eigenschaften dieses Kaviars erklären die wachsende Beliebtheit des besonderen Geschmacks des Baerii-Störs und seines Kaviars. Der Sibirische Stör, Acipenser baerii, ist einer der herrlichsten Störe. Wie seine Vettern im Kaspischen Meer kann er bis zu drei Meter lang werden und bis zu einigen hundert Kilo schwer. Baerii-Störe erreichen ihre Reife nach acht Jahren und liefern dann unseren klassischen Kaviar.
Der Russe an sich ist gesellig
    Ich verließ mein Zimmer. Im Großraumbüro hatte sich eine kleine Runde zusammengefunden. Peter Jansen bastelte am Layout der nächsten Ausgabe des Bierstädter Tageblattes. Stella schäkerte mit Simon Harras, dem Sportreporter. Susi starrte angestrengt auf den Monitor. Sie versuchte, ihr gebrauchtes Korbsofa bei eBay zu versteigern. Noch lag das Gebot bei nur zehn Euro. Im hinteren Teil des Großraumbüros brütete die Kulturredakteurin über der Rezension des Nigel-Kennedy-Konzerts vom Wochenende.
    Die bauchfreie Azu-Biene des Verlags saß gelangweilt neben Sarah und schaute ihr bei der Arbeit zu. Vanessa war an mehreren Stellen des Körpers gepierct, und zwar auch an solchen, an die ich
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