Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Es muss nicht immer Grappa sein

Titel: Es muss nicht immer Grappa sein
Autoren: Grafit
Vom Netzwerk:
Nur weil eine Oma nicht mehr zum Kaffeekränzchen schleicht?« Irgendwas stimmte da nicht.
    »Fragen bitte an den Oberstaatsanwalt«, hielt sich der Hauptkommissar zurück. »Da kommt er ja gerade.«
    Der Königspudel entstieg seinem Dienstwagen. Zottelhaar, das bis über die Augenbrauen reichte, schlechte Zähne, ein Meister des Beamtendeutsch und der geborene Feind aller Journalisten.
    »O nee, nicht der«, stöhnte ich.
    Brinkhoff ließ mich stehen und steuerte auf den Oberstaatsanwalt zu. Gut, dann konnte ich mit dem Bluthund eine Runde quatschen.
    »Wieso redet der Kioskfritze mit dir und mit mir nicht? Ist der schwul?«
    Pöppelbaum blieb ernst. »Nicht mehr als ich, schätze ich mal. Er kannte die Alte. Sie hat bei ihm Pfeifentabak gekauft und ab und zu mal Kekse oder so was.«
    »Frau Schöderlapp hat Pfeife geraucht?«, fragte ich ungläubig. Es war schon schlimm genug, dass manche Frauen von Brennstäben abhängig waren.
    »Wenn ihre Enkelsöhne zu Besuch kamen«, erklärte Pöppelbaum. »Nur dann.«
    »Enkelsöhne? Dann waren die das wohl, die bei der Polizei angerufen haben«, grübelte ich.
    »Nein, das passt nicht«, widersprach der Bluthund. »Die hätten doch nicht so lange gewartet, bis Oma riecht.«
    Der Königspudel war mit wehendem Mantel ins Haus gerauscht. Heute Abend würde er seinen Rotariern wieder etwas aus seinem aufregenden Leben erzählen können.
    Ein Spurensicherer wollte an mir vorbeilaufen. Ich kannte ihn – aber aus einem anderen Kontext. Seine Mutter hatte für die letzte Fußballweltmeisterschaft einen Endlosschal gestrickt, was dem Guinnessbuch der Rekorde einen Eintrag wert gewesen war. Ich hatte die Aktion journalistisch begleitet und die Strickliesel prominent ins Blatt gehoben. Jetzt erhielt der Sohn die Chance, sich bei mir zu bedanken.
    »Und?«, haute ich ihn an. »Wie geht es Ihrer Mutter? Alles paletti?«
    Irgendwie kam ihm mein Antlitz bekannt vor, aber er wusste wohl nicht, wo er mich hinstecken sollte.
    »Der Schal«, half ich ihm gnädig auf die Sprünge. »Schal, Fußball-WM und …«
    »Frau Grappa!«, strahlte er. »Mutter geht es gut, danke.«
    »Nicht alle alten Frauen kommen so gut über die Runden«, sinnierte ich. »Was hat die Schöderlapp denn dahingerafft?«
    »Ich darf doch nichts sagen.« Er schaltete seinen Flüstermodus ein.
    Mein Blick fiel auf die Kamera an seinem Gürtel. »Sagen nicht, aber zeigen!«
    Er nestelte an seinem Gerät. »Ausnahmsweise. Weil Sie es sind«, raunte er.
    Hätte uns ein unvoreingenommener Betrachter beobachtet, er hätte Schlimmstes vermutet.
    Ich schaute dem Mann aufs Gemächt. Davor hielt er das Ding nämlich in der hohlen Hand. Der Sohn der strickenden Mutter hatte die Kamera aktiviert und zeigte mir, was er im Kasten hatte.
    Ekaterina Schöderlapp. Auf dem ersten Bild saß sie in grellbuntem Kittel breitbeinig auf einem Stuhl. Der Oberkörper war nach hinten geneigt. Das Gesicht war nicht zu erkennen, denn es war eine Plastiktüte darübergestülpt worden.
    Kein schöner Tod, dachte ich. Du hechelst und hechelst, schmeckst das Plastikzeugs. Und dann bleibt die Luft weg. Deine Lippen kleben an der Folie, versuchen vielleicht, sie aufzubeißen. Irgendwann gibst du auf.
    Der Mann blätterte weitere Fotos auf. Die Plastiktüte. Superiore Feinkost – Peter Silius – prangte es rot auf dem Weiß der Tragetasche. Dann die Tote ohne Tüte. Die Augen blutunterlaufen und weit aufgerissen, der Mund zum stummen Schrei geöffnet. Ich schaute weg.
    »Und Ihrer Mutter geht es wirklich gut?«, wiederholte ich meine dumme Frage von eben.
    »Aber sicher!«, nickte der Sohn.
    Ich bat ihn, seine Mutter herzlich zu grüßen, und wandte mich wieder dem Bluthund zu.
    »Hat der Kioskmann die beiden Enkelsöhne mal zu Gesicht bekommen?«, fragte ich.
    »Nur aus der Ferne. Beschreiben kann er sie nicht.«
    »Irgendwie ist das nicht besonders ergiebig heute«, seufzte ich. Ich bat Wayne, die üblichen Fotos zu schießen: Die Spurensicherer in den weißen Overalls, den Sarg, wie er ins Haus getragen wird, und die in den Fenstern liegenden, glotzenden Nachbarn der Toten.
    Die hätte ich gern noch ausgefragt, doch der Blaue vor der Tür ließ mich nicht hinein. Der Herr Oberstaatsanwalt verschaffe sich einen ersten Überblick und das mache er gewöhnlich ohne die Medien. Auch gut. Und wenn er sich die Haare aus dem Gesicht schiebt, wird das mit dem Überblick vielleicht sogar gelingen, dachte ich.
    Ich beschloss, das Feld noch nicht ganz zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher